Volltext: Deutsche und italienische Kunstcharaktere

Giovanni Bellini. 
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bildern finden sich meist fein gestimmte Landschaften im Hintergründe 
und seine Liebe zur freien Natur bleibt ihm durchs ganze Leben treu, 
wenigstens ein kleiner Ausblick ins Freie findet sich auf weitaus den 
meisten Bildern des Künstlers, und gerade in den späten Werken ergeht 
er sich mit besonderem Vergnügen in diesen landschaftlichen Hinter- 
gründen; neben dem Tod des Petrus Martyr scheint hierfür die Idylle 
des Bacchanals besonders interessant, die er 1514 für den Herzog von 
Ferrara malte und mit dieser Jahreszahl und dem vollen Namen bezeichnete, 
die aber nach Vasari erst Tizian vollendet haben soll und die sich jetzt 
in der Sammlung des Herzogs von Northumberland in Alnwick befindet. 
Auch die Madonna von 1510 in der Akademiegallerie zu Mailand und 
die sogenannte Venus von 1515 in der kaiserlichen Galerie zu Wien 
zeugen noch von Giovannfs Freude an einer fein durchgeführten, zart 
empfundenen Landschaft, bei der Bellini charakteristischer Weise die 
Stimmung der untergehenden Sonne und der einbrechenden Nacht bevor- 
zugt; waren es ja doch auch diese, die seinem sinnigen Wesen am sym- 
pathischsten sein mussten, die ihm die Anregung zu den feinsten Reizen 
seines Colorits, zur Stimmung seiner poetischsten Werke boten. In diesem 
Ausgehen von der gemüthvollen Stimmung des Abendlichtes scheint ein 
grosser nordischer Künstler Bellini verwandt, nämlich Rembrandt. Aber 
wie scharf tritt uns trotz dieser, ja gerade durch diese Verwandtschaft der 
Gegensatz zwischen dem Holländer und dem Venezianer entgegen. Der 
Holländer, der mehr noch als selbst die anderen deutschen Stämme sich 
in das Haus zurückzieht, beobachtet den Einfall des Lichtes in einen 
geschlossenen Raum, er weiss dessen Wirkung so gemüthvoll wie kein 
anderer, zugleich aber auch das Phantastische derselben zu verwerthen; 
dem Venezianer dagegen bildet die Grundlage die Abendstimmung im 
Freien mit dem Ausblick in die weite, duftige Ferne. 
Mit dem Bacchanal streiften wir das mythologische Gebiet, auf dem 
Bellini auch schon früher, etwa um 1488, thätig gewesen, als er die fünf 
kleinen mythologisch-allegorischen Darstellungen malte, die sich jetzt in 
der Akademie zu Venedig befinden und dem auch sein letztes, leider 
sehr beschädigtes Bild, die Venus in der kaiserlichen Galerie zu Wien, 
angehört. Ein wissenschaftlich-antiquarisches Studium des Alterthums, 
wie es der gelehrte Mantegna vertritt, lag der Natur BellinPs völlig fern; 
der Reiz der antiken Stoffe lag für ihn in ihrer Poesie, wie in dem 
Idyllischen des Bacchanals und so auch in diesen fünf Bildern, die man 
als phantasievolle Träumereien bezeichnen kann und die dadurch wieder 
auf Giorgione hinweisen. Das Spielen mit dem Reiz schöner Formen 
und Farben, welch letztere theilweise leider stark gelitten, charakterisirt 
diese anmuthigen Bilder, bei denen namentlich die Kinder höchst an- 
ziehend sind, wie sie sich mühen, den Wagen des triumphirenden Bacchus
	        
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