Volltext: Deutsche und italienische Kunstcharaktere

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Bellini. 
Giovanni 
der heiligen Schrift, den Hintergrund bildet eine schöne Gebirgslandschaft. 
Wie charakteristisch ist dieser friedliche Greis im Gegensatz zu dem 
leidenschaftlich ringenden Büsser, den Tizian in einem seiner Spätwerke 
(Mailand Brera) darstellte; verwandter erscheint er Dürer's Hieronymus im 
Gehäus, aber doch ist auch hier ein grosser Unterschied: bei Dürer das 
stille, bescheidene Glück in der Arbeit, bei Bellini dagegen das Glück 
poesievoller Stimmung. Dass das Bild, das Bellini mit seinem vollen 
Namen und der Jahreszahl 1513 bezeichnet, in allem Wesentlichen sein 
Werk ist, kann eigentlich doch nicht bezweifelt werden; es ist ein merk- 
würdiges Zeugniss, dass der Künstler auch mit sechsundachtzig Jahren 
nicht nur kein Nachlassen in seiner Kraft zeigt, sondern dass er auch in 
diesem hohen Alter noch fortschreitet in seiner Kunst. Wenn aber Bellini 
sich hier auch im Einzelnen den Meistern der neu aufblühenden Generation 
nähert und man in Folge davon gewöhnlich, was leicht missverstanden 
werden kann, von der Art Tizian's und Giorgione's in seiner Kunst spricht, 
so ist es im Ganzen doch gerade für ihn charakteristisch, dass er auch 
neben den jetzt glänzend emporsteigenden Gestirnen ruhig in seiner 
bescheidenen Sphäre verharrt. 
In die Spätzeit Bellini's fällt auch das interessante Bild des Todes 
des Petrus Martyr in der National-Gallerie zu London. Die Ermordung 
des Heiligen und seines Genossen, die sich im Vordergrunde abspielt, 
zeigt deutlich genug, dass die Darstellung leidenschaftlicher, dramatischer 
Scenen nicht Bellini's Stärke war ; sehr gelungen sind dagegen, wie ja 
stets auch bei Gentile Bellini, die Genregruppen, hier die Holzhacker und 
Hirten im Walde und an dem Rande desselben. Diese bei den Venezianern 
häufig wiederkehrende breite Erzählung der historischen Vorgänge, die 
eine so günstige Gelegenheit, bietet, ihren Sinn für das Genre auszusprechen, 
zieht und zog wie hier, so namentlich auch auf den Gemälden des Gentile 
und des Carpaccio, besonders auf denen der Akademie zu Venedig und 
in S. Giorgio degli Schiavoni, die Deutschen durch ihre gemüthliche Art 
stets ganz besonders an und es ist darin wohl auch der Hauptgrund zu 
suchen, warum Carpaccio besonders durch seine Anregungen auf Hans 
Burgkmaier, so wesentlich auf die deutsche Malerei einwirkte. Das 
Bedeutendste an Giovanni's Tod" des Petrus Martyr ist entschieden die 
Landschaft, im Vordergrunde führt eine breite Strasse, auf der eben die 
Mordthat verübt wird, an dem rechts gelegenen Walde vorbei, während 
man links die Aussicht auf eine Stadt und das dahinter liegende Ge- 
birge hat. 
Giovanni Bellini nimmt durch seine Hintergründe eine bedeutende 
und charakteristische Stellung unter den italienischen Landschaftsmalern 
ein, historisch-interessant namentlich dadurch, dass er auch hier Tizian 
und Giorgione den Weg geebnet. Schon bei seinen älteren Tempera-
	        
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