Bellini.
Giovanni
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Bellini hatte diese hohe Stufe coloristischer Meisterschaft, in der vor
Allem seine grosse historische Bedeutung gründet, ganz selbständig
erreicht. Als die Altarbilder für dei frari und Murano entstanden, war
Tizian elf, Giorgione zehn Jahre alt, von ihnen kann Bellini hier also
keinerlei Anregung empfangen haben, und doch zeigen schon diese Werke
so prächtige Farben, eine so schöne Stimmung, so zarte Modellirung,
wie besonders der lautenspielende Engel des Bildes in Murano, dass man
deutlich den Künstler erkennt, welcher der venezianischen Coloristik die
Wege geebnet, der Giorgione und Tizian die bedeutendsten Anregungen
bieten musste, selbst wenn letzterer nicht sein persönlicher Schüler ge-
wesen sein sollte.
Wie sehr Bellini den genannten Meistern verarbeitete, zeigt vielleicht
kein Bild deutlicher als seine 150! gemalte, mit dem vollen Namen
bezeichnete Taufe Christi in S. Coronna in Vicenza, von der wiederholt
behauptet wurde, sie scheine von Giorgione gemalt zu sein. In einem
grossartigen Gebirgsthal steht Christus in dem Bach, auf seiner Linken
Johannes der Täufer, während zu seiner Rechten drei Engel knieen, deren
schüchtern befangenes Wesen für Bellini sehr charakteristisch ist. Die
Haltung Christi, sowie die Johannes des Täufers ist etwas steif, aber die
grossartige Landschaft des stillen Alpenthales, die poetische Abend-
stimmung des Ganzen lassen das Bild als eine der gelungensten Schöpfun-
gen Bellinfs erscheinen, bei dem man um so mehr bedauern muss,
dass es in einem so sehr ungünstigen Lichte aufgestellt ist, als es gerade
coloristisch zu den Hauptwerken des Meisters gehört, und zwar nicht nur
durch den Ton des Ganzen, sondern auch durch die tiefen, leuchtenden
Lokalfarben, wie das satte Grün bei dem Mantel des Johannes, das tiefe
Roth im Gewande des einen Engels, die schon auf jene einzigen Effekte
hinweisen, die Giorgione und Tizian in dieser Richtung errungen.
Auch bei dem Altarbilde in S. Zaccaria kann von rückwirkenden
Einflüssen Tizian's und Giorgione's nicht die Rede sein; der Fortschritt
von den besprochenen Bildern zu diesem ist so naturgernäss, die grossen
Vorzüge, der ganze Charakter des Werkes sind so echt bellinesk, dass
hier an einen maassgebenden fremden Einfluss nicht gedacht werden kann,
der bei einem Siebenundsiebzigjährigen ja überhaupt wenig wahrscheinlich
ist. Erst bei einzelnen Spätwerken ist ein derartiger Einfluss zu. merken,
am bedeutendsten an dem Altarbilde in S. Giovanni Crisostomo in
Venedig VOII I5 I3. Zu beiden Seiten dieses Bildes sind Pilaster angeordnet,
die ein mit Mosaik verzierter Bogen verbindet; vor einer F rührenaissance-
brüstung steht rechts der h]. Augustin gedankenvoll zu Boden blickend,
links der bartlose, jugendliche Christoph, der das Kind trägt und fast
etwas sentimental nach oben blickt. Hinter der Brüstung erhebt sich ein
mächtiger Felsen, auf dem Hieronymus sitzt, ganz vertieft in die Lektüre