Giovanni
Bellini.
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zu diesen Schöpfungen an; aber zur Aussprache seiner edlen Empfindungen
wählt er die anmuthigsten unter ihnen, erfasst sie in ihrem tiefsten, ge-
müthvollsten Wesen, das er gleich seinem Lichte poetisch zu steigern
weiss. Welche Fülle von Motiven aber musste das Leben dem Künstler
bieten, welcher die zartesten Stimmungen der heitern und der still träu-
merischen Iungfrau, der aber auch das liebevolle Verhältniss zwischen
Mutter und Kind so tief zu erfassen, so schön darzustellen vermochte.
Crowe und Cavalcasellel) haben darauf hingewiesen, wie auf den beiden
ersten der genannten Bilder das Bewegungsmotiv der Madonna und des
Kindes im Wesentlichen dasselbe ist. Das ist richtig; aber gerade durch
diese äusserliche Aehnlichkeit tritt uns erst recht schlagend die innere
Verschiedenheit der Bilder entgegen, die weit interessanter und für den
Künstler so sehr bezeichnend ist. Die Maria, zwischen der jugendlich
kräftigen Gestalt des Ritters St, Georg und dem ernsten Paulus, blickt
uns mit den offenen Augen so liebevoll an, als wollte sie von dem Glück
erzählen, das für sie in dem netten, frischen Knaben liegt, der frei heraus-
sieht und den sie liebevoll an sich drückt; die Madonna vor dem Vor-
hange dagegen hat den Blick gesenkt, sie ist in stille Träumerei ver-
sunken, wohl über ihren Liebling, der seine Augen ohne bestimmtes Ziel
in das Weite schweifen lässt und dessen Gesicht jenen unbewussten Ernst
zeigt, der bei Kindern, die bei feierlichen Situationen zugegen, häufig so
rührend wirkt. Anders wieder die Madonna mit dem Cherubimreigen,
eines der feinsten und stimmungsvollsten Bilder Bellini's. Das Kind hört
die Engel singen; erstaunt, den Mund weit öffnend, starrt es nach oben,
gebannt durch die himmlischen Töne; Maria aber sieht voll inniger Liebe
auf ihr Kind. Die Auffassung _ist hoch poetisch und besizt zumal durch
das Colorit gar feine Reize. Mit welcher Freude und liebevollen Hingabe
Bellini an diesen Bildern gearbeitet, zeigt die sorgfältige Behandlung, das
Eingehen auch auf das scheinbar nebensächlichste Detail, wie reizend ist
auf der Madonna mit Georg und Paulus der Saum des Kopftuches der
Maria ausgeführt; wie zart empfunden, wenn auch als nebensächlich nur
angedeutet, die Landschaft mit dem kühlen Abendlicht auf der Madonna
mit den Cherubim. Verfolgt man das im Detail, so ist es einem, als sehe
man den Künstler vor seiner Staffelei, wie er voll Vergnügen an den
Bildern arbeitet, sich an jeder Zier freut, die er zum Schmucke der Maria
und ihrer Umgebung anbringen kann, und doch ordnet er dies Alles so
fein unter, dass das Detail nirgends die Wirkung des Ganzen beein-
trächtigt.
in
Von den grossen Altarbildern der Madonna
der Sakristei von S. Maria dei frari und das
mit Heiligen wurde das
in S. Pietro martyre zu
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