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Giovanni Bellini.
andere die Laute schlägt und dazu singt; ein Alegretto ist es offenbar,
das sie spielen und das die gehobene und doch heitere Stimmung der
Maria hervorruft, auf deren Schooss so frisch der Knabe steht und das
auch die ernsten männlichen Gestalten beseelt. Dem herrlichen Bilde
dagegen von 1505 in S. Zaccaria entspricht wieder das Andante, denn
in friedlichem Glück schwelgen die um Maria Versammelten, umi-lossen
vom reinsten, goldenen Abendlicht. So leben bei Bellini die Heiligen, die
einst auf dem Altare zusammenhanglos nebeneinander standen, vereint
in einem verklärten Dasein, das eine poetische Steigerung des herrlichen,
venezianischen Abendlichtes, gehoben noch durch die Töne einer heiteren,
seelenvollen Musik.
Von 1479, wo er wegen der Abreise seines Bruders nach Konstanti-
nopel zum Maler des Saales des grossen Rathes in Venedig ernannt
wurde, war Giovanni hier bis zu seinem Tode thätig; er führte sieben
grosse, historische Gemälde auf Leinwand aus, das umfassendste Werk
des Künstlers und für dessen geschichtliche Bedeutung wohl eines der
wichtigsten Denkmale; es ist keine Frage, dass man ihn hier schon in
Folge der Gegenstände, wie die Seeschlacht zwischen Otto und dem
Dogen, die Demüthigung des Kaisers in S. Marco und Anderes, jeden-
falls von Seiten kennen lernte, für die uns heute jeder Anhaltspunkt
fehlt, da die Bilder beim Brande des Dogenpalastes 1577 zu Grunde
gingen. Ausserdem hatte Giovanni für den Ducale auch die Portraits
der Dogen zu malen, die gleichfalls verloren gingen; Tintoretto erneuerte
später die Folge; erhalten hat sich von den sehr zahlreichen Portraits,
von denen Bellini offenbar auch Duplikate malte, nur das des Giovanni
Mocenigo, wohl vor I485 in der Gallerie Correr, und das meisterhafte des
Leonardo Loredano von 1505 in der National-Gallerie zu London, in dem
sich Giovanni durch frische, lebendige Auffassung auszeichnet, sich zu-
gleich aber auch als ein Meister feinster Charakteristik im Portrait zeigt,
dessen liebevoller Beobachtung auch die leisesten Züge des Mienenspieles
nicht entgehen.
Zu den eigenartigsten Schöpfungen Giovanni's gehören in der Zeit
zwischen etwa 1483 und I488 drei kleine Madonnenbilder der Akademie
zu Venedig: die Madonna zwischen Paulus und Georg; die Madonna mit
dem Vorhang (I487) und die trefflich erhaltene Madonna mit dem rothen
Cherubimreigen. Das reine Empfinden, die Innigkeit und jugendliche
Frische, die sich der Meister unvergleichlich bis ins höchste Greisenalter
bewahrte, verleihen Bellinfs Madonnen einen ganz eigenartigen Reiz.
Bezeichnend für die Frische Bellini's ist, dass, so viel Madonnen er auch
gemalt, sie doch keine Wiederholungen, sondern stets neue Motive, vor
Allem die verschiedensten Empfindungen zeigen. Bellini greift eben seine
Madonnen aus dem vollen Leben; die schönen Venezianerinnen regen ihn