Giovanni
Bellini.
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indem er die Kunst darstellt, Welche die Gefühle am reichsten und
feinsten auszusprechen vermag, nämlich die Musik. Die musicirenden Engel
bei derartigen Vorwürfen sind keineswegs eine Erfindung Bellini's, auch
Mantegna verwerthet sie, und angeregt wurden dazu wohl Beide durch
die musicirenden Engel Donatellds auf seinen Bronzereliefs am Altare von
il Santo zu Padua. Gerade der Unterschied dieser Engel aber und
derjenigen Bellini's zeigt deutlich dessen eigenartige Vorzüge. Die
Engel des Donatello und Mantegna sind ganz naiv aufgefasst, frische,
heitere Kinder, bei Bellini dagegen sprechen die musicirenden Engel, die
charakteristischer Weise meist zu halbwüchsigen, mädchenartigen Ge-
stalten heranreifen, ein tieferes Empfinden aus, das der jedesmaligen
Stimmung gar fein entspricht, die sie zugleich durch ihre Musik mit
hervorzurufen scheinen, und es giebt keinen zweiten Meister, der die
gemüthvolle Wirkung der Musik so fein gemalt hätte, wie Bellini in
diesen Gestalten, in ihrem Zusammenhang mit der Stimmung des Ganzen;
man kann ihn in diesem Sinne den musikalischsten aller Maler nennen.
Charakteristisch sind dabei vor Allem die feinen Nuancen der musikalischen
Stimmung, die sich am besten durch die verschiedenen musikalischen
Tempi ausdrücken lassen. Bei dem Bild für S. Giobbe ist es ein Andante,
dem Alle andachtsvoll lauschen, Maria voll Bewunderung erhebt die
Linke, um anzudeuten, dass Niemand durch ein Geräusch die Töne der
göttlichen Musik stören möge; Christus lauscht voll kindlicher Seligkeit
mit leuchtenden Augen und leise geöffnetem Munde; schmerzlich bewegt
ist Hiob, bei dem das herrliche Carnat und die feine Modellirung des
nackten Körpers zeigen, welch' gewaltige Fortschritte Bellini nach dieser
Seite errungen, während aus Johannes dem Täufer jenes gefühlvolle
Schwärmen spricht, das dann Tizian, Giorgione und ihre Nachfolger so
poetisch dargestellt; gar fein aber ist vor Allem der Ausdruck der drei
musicirenden Engel unterschieden, der ruhiges Versenken in die Musik,
träumerisches Schwärmen und heitere Erhebung erkennen lässt.
Noch seelenvoller und ernster, im Gegensatz zu dem Andante des
Bildes für S. Giobbe mehr aus dem Geiste des Adagio geschaffen, ist das
herrliche Bild in S. Pietro martyre in Murano von 1488 mit seinen
prachtvollen, tiefgestimmten Farben und der Landschaft mit den duftigen
Bergen, die unwillkürlich an den Blick von der Nordseite Venedigs nach
dem Festlande erinnert; ein weihevoller Ernst liegt über dem Ganzen, der
sich hier auch dem Christuskinde mittheilt; von hoher Schönheit aber ist
der Kopf des Engels, der die Geige spielt und sehnsuchtsvoll nach oben
blickt. Wie heiter erscheint dagegen das in demselben Jahre gemalte
Altarbild der Sakristei von S. Maria dei frari, die reizenden Engel am
Fusse des Thrones der Maria, von denen der eine so vergnügt, ganz in
seine Musik versunken, mit vollen Backen die Flöte bläst, während der
Riehl, Kunstcharaktere. 11