Deutsche und italienische Kunst. 7
Zier, den Dürer und seine Zeitgenossen so mächtig förderten, dass die
Kunst vollen Einzug im deutschen Hause hielt, um hier in ihrer eigen-
artigen Verbindung mit dem Gewerbe oft ihr Bestes zu geben, in manchem
Kleinsten ein Grösstes zu schaffen. Als das Eigenartigste und Bedeu-
tendste erscheint mir aber, dass nicht nur die Kunst in ihrer Verbindung
mit dem Gewerbe, sondern auch die reine Kunst ein oft sehr bescheidenes
Heim schmückten. Dadurch wurde das V erhältniss der Kunst zum Volke
ein ganz anderes als bei den Italienern, die Kunstwerke in unserem
Hause, zu denen wir in ernsten und heiteren Stunden greifen, werden
uns nahe Freunde, sie treten in ein so inniges, gemüthliches und gemüth-
volles Verhältniss zu uns, wie sich das gegenüber der Kunst des Palastes
oder auch der Kirche nie ausbilden kann.
Die Anfänge waren gar bescheiden, aber sie haben sich rasch ent-
wickelt und aus ihnen erwuchs der deutschen Kunst ihr eigenstes Gebiet;
die Kunst fürs Haus. Es waren zuerst nur die kleinen Heiligenbildchen
und andere religiöse Darstellungen, die der Vater von dem Jahrmarkte
oder dem Kirchgange mit nach Hause brachte und die an die Wand ge-
klebt die Freude der Kinder bildeten, deren Kunstsinn weckten, der in
einem reicheren Hause wohl auch noch durch die hübschen Miniaturen
im Gebetbuch der Mutter gefördert wurde. Mit Wolgemuts Schatzbehalter
und der SchedeYschen Weltchronik kam das illustrirte Buch ins Haus,
Schongauefs Stiche brachten ihm tief empfundene, echt künstlerische
Gaben; Dürer aber bot ihm die ganze Fülle seiner grossen Gedanken
und seines reichen Herzens, seine Zeitgenossen und Nachfolger haben den
Schatz mächtig bereichert; im I7. Jahrhundert waren es vor Allem die
Holländer, an ihrer Spitze Rembrandt, die ihm ihr Bestes widmeten und
auch die moderne Kunst kann Dank vor Allem unserem Ludwig
Richter mit gerechtem Stolz auf dieses Gebiet blicken.
Den schärfsten Gegensatz zu diesem echt deutschen Bürgerhause
bildet der italienische Palast. Die Schauseite nach der Strasse wird schon
seit dem Mittelalter als einheitliches Kunstwerk behandelt, in ihr leistet
der Italiener sein Bestes, sie ist häufig das Bedeutendste am ganzen
Palaste, oft entspricht ihr das Innere nur wenig, und Theile des Palastes,
die von der grossen Strasse abliegen, werden, wie z. B. besonders auffällig
in Venedig, meist ganz ohne Schmuck gelassen. Der Deutsche zieht sich
in sein Haus zurück, der Italiener tritt aus seinem Palaste und mit dem-
selben in die Oeffentlichkeit. Der Kunstsinn des deutschen Bürgers ent-
WiCkCIt SiCh in der Wohnstube, der des Italieners an der Fagade, und
Wird das Innere des Hauses künstlerisch gestaltet, so ist es der breite
Vüffilllm und das Treppenhaus, das namentlich die Genueser so herrlich
entwickelten, oder auch der grosse Saal, die zuerst künstlerischen Schmuck
erhalten. Der Saal spricht sich häufig auch an der Fagade künstlerisch