Giovanni Belliui.
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recht ein Zug des fein gefühlvollen Wesens Bellinfs. Ein charakteristisches
Werk dieser Art für die Zeit um 1475 besitzt dieselbe Sammlung in
der Madonna mit dem stehenden, segnenden Christuskind. Das Bild hat
zwar so sehr gelitten, dass der Genuss desselben wesentlich beeinträchtigt
ist, aber allein schon die Art, wie die Madonna das Kind zärtlich an sich
drückt, ihre Wange an dessen Köpfchen legt, der ernste und andererseits
doch so echt kindliche Ausdruck des Knaben beweisen, wie Bellini in
seinem frischen Naturalismus, in seiner gemüthvollen Art fortschreitet.
Die etwas steife Haltung des Knaben dagegen, der die Rechte feierlich
zum Segen erhoben, und etwas starr geradeaus sieht, ist noch ein deut-
licher Nachklang der älteren, feierlich repräsentativen Auffassung. Das
Feierliche und Steife verschwindet aber bald ganz und Bellini malt
weiterhin unbefangene Kinder, die mit ihren kleinen Händchen nach der
Mutter greifen oder sie wie unbewusst zum Segnen erheben, die andächtig
der Musik der Engel lauschen mit jenem Ausdruck feierlichen Ernstes
oder auch in heiterer Stimmung, die beide bei Kindern, welche Musik
hören, so reizend zu beobachten sind und deren oft rascher Wechsel
uns verräth, wie verschiedenartige Gefühle schon bei den Kleinen durch
die Töne hervorgerufen werden.
Am Schlusse dieser Periode, wohl vor 1479, entstand das schöne Bild
in der Akademie: Maria zwischen Barbara und Magdalena. Hier finden
wir zuerst das zarte, goldene Licht Bellini's, die Heiligen sind von hoher
Anmuth, ein leise träumerisches Wesen charakterisirt sie; dieselbe still-
glückliche Stimmung beseelt die drei Jungfrauen, das Kind aber blickt
erstaunt nach oben, als lausche es der Musik der Engel. Der dunkel-
grüne Hintergrund ist zwar etwas schwer, die Haltung der Maria, besonders
in der linken Hand, steif, der Ausdruck bei ihr noch nicht völlig beherrscht;
aber trotz dieser kleinen Mängel ist das Bild von so feiner Wirkung, dass
es auch neben den späteren Madonnen des Meisters sich behauptet;
gegenüber dem mehr jungfräulichen Charakter jener giebt hier eine
mädchenhaft schüchterne Art den Grundton an, die ihren schönsten Aus-
druck durch die anmuthige, noch halb kindliche Magdalena gewinnt, mit
den schönen, träumerischen Augen, welche die Hände über der Brust kreuzt,
voll Demuth, zugleich aber auch als wollte sie das Gefühl wohligen
Daseins, das jetzt ihren Busen schwellt, zurückhalten.
Im Jahre 1479, wahrscheinlich ehe ihm die Malereien im Saal des
grossen Rathes übertragen wurden, vollendete Giovanni das grosse Altar-
bild für S. Giobbe, das sich heute in der Akademie zu Venedig befindet, das
Bild ist historisch schon merkwürdig als das erste grosse Oelgemälde, das in
Venedig vollendet wurde, merkwürdiger aber noch dadurch, dass der Künstler
nicht nur die neue Technik völlig beherrschte, sondern auch deren Vortheile
für die Feinheit der Stimmung ganz auszunützen verstand; dass sich