Giovanni Bellini.
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sich hier jacopo als ein Mann von vielseitigen Interessen; er greift alles
Mögliche auf, Landschaften, Häuser, Genrescenen und Thierstudien, dann
aber auch antike Skulpturen; das meiste Interesse jedoch beanspruchen
die Studien zu historischen Bildern, wobei das Neue Testament als das
interessanteste hervortritt, und vor Allem Darstellungen, die gerade auf
den jungen Bellini einen mächtigen Eindruck machen mussten, wie z. B.
der Oelberg und die Kreuzigung. 1)
Die bedeutende Originalität und künstlerische Kraft jacopos zeigt sein
Gemälde des Gekreuzigten im Museo civico zu Verona. Das Bild hat
durch Trübung der Farben, besonders durch rohe Uebermalung des Hinter-
grundes, sehr gelitten; es steht im Ganzen noch auf dem Boden der alten,
traditionellen Darstellung, hat manche Schwächen der Zeichnung; ver-
hältnissmässig gut ist die Modellirung, der Kopf Christi hat etwas Gewöhn-
liches, die coloristischen Mittel sind noch sehr primitiv, wie der ganze
Hintergrund einheitlich düster blau gehalten ist, aber die überlebensgrosse
Gestalt wirkt doch mächtig, und es hat etwas Grossartiges, dass die Um-
gebung, dass alles Detail fehlt, nur am Fuss des Kreuzesstammes der
Schädel Adam's liegt, auf den das Blut von Christi Füssen niederträufelt,
der schmerzverzogene Kopf zeigt tiefste Trauer; es ist ein fast puritanisch
düsterer Geist, der die Auffassung bestimmt; trotz allem Befangenen, was
dem Bilde anhaftet, übt es heute noch einen mächtigen und erschütternden
Eindruck aus, und nicht leicht wurde wieder gerade nach dieser Seite hin
mit so einfachen Mitteln eine so bedeutende Wirkung erzielt; wie mag das
Bild den jungen Giovanni ergriffen haben, dessen liebster Gegenstand in
seiner ersten Periode die Beweinung Christi war; dass gerade der Schmerz
dem Menschen zuerst die Poesie der Stimmung offenbarte, ist tief in seiner
Natur begründet.
Zeugt das Skizzenbuch jacopos, wie er durch die Vielseitigkeit seiner
Interessen, sein Gekreuzigter, wie er durch sein tiefes Empfinden Giovanni
anzuregen vermochte, so mag ein drittes Werk, nämlich seine Madonna
in der Akademiegalerie zu Venedig andeuten, wie der Vater auch auf
diesem Gebiet, dem die eigensten und bedeutendsten Schöpfungen Gio-
vannis angehören, sein Vorläufer war; selten setzte so schön, wie hier, der
Sohn das Werk des Vaters fort und vollendete herrlich, was jener
schüchtern begonnen. Das Bild, das auf dem alten Rahmen bezeichnet
ist; wopus Jacopi Bellini Venetia, zeigt Maria als Kniestück hinter einer
Brüstung, auf der ein Buch liegt und auf einem Kissen das Kind sitzt;
der dunkle Hintergrund ist ganz mit Cherubimköpfen ausgefüllt. Trotz
allem Alterthümlichen, Steifen und Befangenen hat das Bild doch etwas
Skizzenbuch siehe Crowe
ff.
1) Ueber das
Malerei. V. 102 u.
Cavalcaselle
Geschichte
italienischen