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taliens Städte sind reich an historisch merkwürdigen und
i?" fl schönen Plätzen; aber der farbenreichste und prächtigste von
45 allen ist doch die piazza Venedigs. Noch heute, nachdem
rw-vu.) Venedig drei Jahrhunderte schweren Leidens überstanden,
die manche tiefe Furche in sein Antlitz gegraben, entfaltet sich ein reiches
Leben auf diesem Platze, wenn die kraftvollen Strahlen der späten Nach-
mittagssonne über ihn leuchten und über die Westfagade der alten Kathe-
drale von S. Marco glitzern. Aber das Leben von heute ist arm gegenüber
dem zur Blüthezeit Venedigs vor vierhundert Jahren, wo hier die venezia-
nischen Nobili mit ihren stolzen, schönen Damen spazirten, wo die reichsten
Kaufherrn des Ostens und Westens, deren stattliche Schiffe im nahen
Hafen lagen, in ihren bunten, malerischen Trachten hier zusammentrafen.
Das Leben auf der piazza erscheint jetzt farblos gegen jene Tage, aber
das Gesammtbild ist doch auch heute noch einzig reich durch die grossen
Erinnerungen, die sich an den Platz knüpfen, von denen seine Kunstwerke
so beredt erzählen.
Das antike eherne Viergespann an der Fagade von S. Marco erinnert
an die Einnahme Konstantinopels durch Henrico Dandolo 1204, wodurch
Venedigs weltgeschichtliche Stellung als Knotenpunkt für den Verkehr mit
dem Osten begründet wurde, der seinen bedeutendsten künstlerischen
Ausdruck in S. Marco gefunden, zu dessen Bau der Orient Marmorsäulen
und Porphyrreliefs liefern musste und dessen durch die orientalischen Ein-
flüsse bedingter malerischer Reiz uns mit märchenhaftem Zauber anspricht,
aber nicht mit dem des gemüthlichen deutschen, sondern mit jenem des
feenhaften, farbenreichen Märchens des fernen Ostens. Vor der Kirche
stehen die drei mächtigen Flaggenstangen, deren schöne Fussgestelle
Alessandro Leopardi 1505 fertigte, sie erinnern an die drei von Venedig
unterworfenen Königreiche: Cypern, Candia und Morea; während da-
neben der trotzige Carnpanile, der theilweise noch dem I0. Jahrhundert
angehört, ein Zeuge der ehernen Kraft des Volkes ist, das diese Insel-