und
Deutsche
italienische Kunst.
der Nationen
bildet.
einen
der
eigenartigsten
Vorzüge
der
modernen
Kunst
Die grundverschiedenen Verhältnisse, unter denen diese Künstler
heranwuchsen und arbeiteten, mussten verschiedene Charaktere erziehen,
verschiedene Ideale entwickeln; gerade dadurch aber wurde die moderne
Kunst so reich. Betrachten wir, um nur eines hervorzuheben, den Unter-
schied der Aufgaben, die den Künstlern gestellt waren. Raphael und
Michelangelo hatten die Festsäle und die Hauskapelle des päpstlichen
Palastes, der Residenz der katholischen Christenheit mit grossen WVand-
gemälden zu schmücken, Dürer dagegen ein Altarbild für eine Nürnberger
Spitalkapelle und Zeichnungen für das deutsche Haus zu liefern. Man
hat den Meister oft bedauert wegen dieser bescheidenen Aufgaben; ich
glaube aber, er kann unser Mitleid entbehren; gerade indem er für das
Haus arbeitete, entfaltete er seine intensivste und weitgreifendste Wirkung;
indem er für das deutsche Haus arbeitete, arbeitete er auch aus demselben
und sprach in schlicht wahrer Form die tiefe, verhaltene Leidenschaft,
die Kraft und Energie deutschen Wesens, aber auch dessen Gemüth und
das friedlich bescheidene Glück des deutschen Hauses aus; er schuf so
sein Bestes, und ich wenigstens möchte für einige Fresken und Tafel-
gemälcle diese eigenartigsten Schöpfungen Dürers wahrlich nicht missen.
Dürer arbeitete aus dem deutschen Haus; wie bescheiden, wie
charakteristisch aber auch war dieses Haus am Ausgang des Mittelalters,
in dem Dürer heranwuchs, und fest bewahrte es, wenigstens im kleinen
Bürgerhause noch weit über Dürers Lebzeiten hinaus diese Art.
Das mittelalterliche, deutsche Haus steht bekanntlich nicht mit der
Lang-, sondern mit der schmalen Giebelseite nach der Strasse; nur eine
in der Regel recht kleine Pforte gewährt Einlass in das Gebäude, in das
wir uns, schon durch die rauhe Witterung genöthigt, zurückziehen, in dem
wir uns nach aussen abschliessen. Eine selbständige, einheitliche, künst-
lerische Durchbildung der Strassenseite strebt das mittelalterliche deutsche
Haus nicht an, nur als sehr seltene Ausnahme zeigen hervorragende Ge-
bäude am Ende des Mittelalters eine F agade, die dann aber ihre Motive
ganz von der kirchlichen Baukunst entlehnt. Gleichwohl spricht hier
Manches den Kunstsinn des Besitzers aus. Da steht auf gothischer Con-
sole die hübsche Statuette der Maria oder irgend eines Heiligen, deren
besonderem Schutze das Haus empfohlen; über der Thüre, schön aus
Stein gehauen, ist die Hausmarke angebracht, der spitze Thürbogen wird
gut profilirt, zuweilen auch durch gothisches Laubwerk geschmückt, der
Thürklopfer und das Schloss aber zeigen phantastische Schmiedearbeit.
Den originellsten Schmuck jedoch bietet zuweilen der Erker, der
reich mit Maasswerk oder anderem Zierrath, oft auch mit Reliefs ge-
schmückt ist. Charakteristischer Weise geht auch er auf die Anregungen