Dürefs Kunst fürs Haus.
Ritter entgegen, der durch die unheimliche Felsschlucht reitet, den
weder Tod noch Teufel schrecken, der einfache Charakter des Mannes
fester That.
Mehr und tiefer aber noch als der markige Ritter, der zur Schlacht
reitet, beschäftigen Dürer die Helden des Geistes; Glück und Schmerz der
Geistesarbeit hat vielleicht Keiner tiefer und geistvoller dargestellt als er,
und die prächtigen Blätter bilden zur Erhebung und zum Trost den
schönsten Schmuck für das Arbeitszimmer des Künstlers wie des Gelehrten.
Wie Dürer in dem hl. Hieronymus in der Zelle den Frieden geistiger
Arbeit schildert, suchte ich Eingangs anzucleuten; als ergänzendes Seiten-
stück mag man daneben das reizende Blatt des hl. Antonius von 1519
legen. Der Heilige, der den Tag wohl auf mühsamer Wanderschaft zu-
gebracht, hat sich an dem stillen, klaren Abende neben dem Wassergraben
einer Stadt niedergelassen, zur Seite liegt seine Mütze, und neben sich hat
er den Stab mit der Glocke in den Boden gesteckt. Antonius, der die
Kapuze über den Kopf gezogen, ist ganz in seine Lektüre vertieft, in dem
lebendigen Kopfe, in den fein durchgebildeten Händen, ja sogar bis in
die Zehen ist auf das Schärfste die Haltung des Mannes beobachtet, der
ganz durch seine Lektüre gefesselt, so in Nachdenken versunken ist, dass
er von der schönen Umgebung nichts mehr zu bemerken scheint, und
doch verleiht gerade sie seinen Gedanken Stimmung, regt sie ihn zu neuen
Gedanken an; es ist ein gar feines Bild der Poesie des Abendfriedens,
das uns lockt zur Einkehr in uns selbst, zur Arbeit mit unseren Gedanken
und Gefühlen.
Den Kampf aber, durch den dieser Frieden errungen, auf den uns
schon der betende und der büssende Hieronymus hingewiesen, das
faustische Ringen gerade des forschenden deutschen Geistes zeigt am
grossartigsten die Melancholie. Die Melancholie, jenes gewaltige Stim-
mungsbild, giebt in dem mächtigen Weibe, das über die unlösbaren
Räthsel sinnt, die unser Dasein umgeben, jenes stets zu neuen Zweifeln
führende Grübeln und Brüten, jene schweren Stunden, die uns am Er-
kennen verzweifeln lassen, die uns als einzig sicheres Resultat alles For-
schens nur die Unzulänglichkeit desselben zeigen, uns überall nur die
engen Grenzen unseres Wissens lehren. Diese mächtige, düstere Stimmung
erinnert unwillkürlich an eine Gestalt von Dürer's grossem italienischen
Zeitgenossen Michelangelo, mit dem man ihn überhaupt öfter, als man
vielleicht auf den ersten Blick glauben mag, in Parallele zu setzen ver-
sucht wird, nämlich an dessen jeremias an der Decke der sixtinischen
Kapelle. Aber sofort erkennen wir auch den Gegensatz, bei Michelangelo
steigert sich dieses qualvolle Ringen bis zu seinen letzten titanischen
Werken; unbefriedigt von der Welt, in der er lebt, von der Natur, die
ihn umgiebt, sucht er sich eine neue, gewaltigere Welt zu schaffen, Friede