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Dürefs Kunst fürs Haus.
zu streng an die ihn umgebende Natur seine Marien sind echt deutsche
Mädchen und Frauen, das Weib in seinem gemüthvollen Treiben, wie er
es in seiner Umgebung beobachtete, erschien seiner hierin echt naiven
Kunst als die schönste Verkörperung der Mutter des Herrn. Dass Dürer
jedoch für den Reiz weiblicher Formen Verständniss hatte, sahen wir
schon oben, naturgemäss zeigen dies auch seine Marien, zumal die liebe-
voll ausgeführten Stiche der späteren Jahre. Was für ein frisches, an-
muthiges und kindlich unbefangenes Mädchen ist die hübsche Maria, über
der ein Engel den Kranz hält, von 1520 (B. 37), und wie innig und sanft,
zugleich aber wie majestätisch schön erscheint die auf dem Monde
schwebende Himmelskönigin von 1516 (B. 32).
Was Dürer aber noch mehr als der äusserliche Vorzug schöner
Formen an dem Weibe fesselte, war sein tiefes Gemüth, war, wie schon
das Marienleben zeigte, sein stilles Wirken im Hause, seine liebevolle
Sorge für das hülflose Geschöpfchen, das Maria in ihren Armen hält.
Wie spricht diese aus dem Stich von 1513 (B. 35), wo die Mutter das
Kind mit beiden Händen an sich drückt, wie vor Allem aus dem tief-
empfundenen Blatte von I5I9 (B. 36), wo Maria dem Kinde eben die
Brust reicht. Der Gegenstand ist unendlich oft und von den trefflichsten
Künstlern behandelt worden; aber nicht leicht wird man trotz all dem
Schönen, wozu dieses tief poetische Motiv führte, eine Darstellung finden
mit so viel Innigkeit und Gemüth, die so zeigt, wie die Mutter ganz in
der Wartung des Kindes aufgeht. Sie blickt nicht wie so häufig
aus dem Bilde, sondern wie ihr Blick, so sind auch ihre Gedanken nur
auf den kleinen Liebling gerichtet, und helle Freude strahlt über ihr
Antlitz, indem sie den frohen, gesunden Knaben ansieht. Dürer's Maria
hat zuweilen etwas ältliche Züge, oft einen sehr ernsten, mitunter, wie z. B.
auf dem feinen Blatte von 1503 (B. 34), sogar einen versorgten Ausdruck,
er hat etwas gar Rührendes; denn nur die Mutterliebe, die treue Sorge
für das Kleine, über dessen Schicksal sie sinnt, dessen schwere Lebens-
aufgabe sie ahnen mag, hat dem Antlitz diese Züge eingegraben, die zwar
die Anmuth der Erscheinung beeinträchtigen mögen, die aber das tiefe
innere Leben verrathen und dadurch mehr ergreifen als auch das schönste
glatte Gesicht. Es giebt schönere Madonnen als die Dürer's, aber das
Bescheidene, Innige und Treuherzige des deutschen Mädchens, die treue,
selbstlose Liebe und Sorge der deutschen Mutter hat keiner tiefer und
wahrer ausgesprochen als er, der mit so treuer Kindesliebe an seiner
trefflichen Mutter hing,