Haus.
Dürefs Kunst fürs
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Christi darzustellen vermochte, wie in seinem Christus an der Marter-
säule (B. 3), der Dornenkrönung (B. 9), der Scene mit dem Schweisstuch
der Veronika (B. I2), und wie ergreifend schildert er den Schmerz der
Angehörigen und Freunde Christi, wie im Gegensatze dazu die kalte
Gleichgültigkeit, das hoffährtige Selbstbewusstsein und auch die rohe Lust
zu martern in seinen Verfolgern, die ihn in ihrem Fanatismus so peinigen,
dass selbst die Richter Mitleid mit diesem armen Opfer der W uth des Volkes
empfinden (B. 7). Von besonderer Bedeutung für den Charakter dieser
Folge aber war, dass Dürer durch seine Vollendung der Technik des
Stiches hier durch Mittel wirken konnte, die dem Holzschnitt versagt
waren, nämlich durch das Malerische und Stimmungsvolle, wie in dem
Oelberg (B. 4), der Gefangennahme Christi (B. 5) von 1508, die hierin
offenbar auch von Einfluss auf jene der grossen Passion von 1510 war, der
Kreuzigung (B. I3), vor Allem auch in der herrlichen Grablegung (B. I5).
NVie tief diese Vorwürfe Dürer beschäftigten, erkennen wir daraus,
dass er auch noch ausser diesen drei Folgen jetzt und in den nächst-
folgenden jahren in einer Reihe der schönsten Einzelblätter seiner Holz-
schnitte und Stiche sich ihnen wiederholt zuwendete. Es war eben, wie
bereits angedeutet, die Wahl dieses Stoffes keine i-villkürliche, sondern
durch die ganze Entwicklung des Künstlers, durch seine höchsten Ziele
bedingt. Für das Studium der Charaktere, des Empfindens der Menschen,
das ihn jetzt ja vor Allem bewegte, konnte Dürer keinen Vorwurf
finden, der ihm tiefere Probleme bot, als das Drama der Passion, um so
mehr, als seine Kunst die religiösen Gegenstände noch ausschliesslich in
die erste Linie stellt. Das Leiden des Menschen ist es, was ihn zur
Passion führte und zu den damit zusammenhängenden Bildern, vor Allem
dem Schweisstuch der hl. Veronika, das er im Stiche dreimal behandelte,
besonders tief empfunden 1513 (B. 25), am mächtigsten aber in dem
grossen, erst nach seinem Tode im Druck erschienenen Holzschnitte des
Christushauptes (B. Ap. 26).
Gewaltiger noch hat Michelangelo das schmerzliche Ringen im
Menschen ausgesprochen, tiefer und innerlicher aber keiner als Dürer, und
während wir dort ein Ringen erkennen, dem eine volle Versöhnung ver-
sagt bleiben musste, so ist dagegen Dürer's Kunst eine durchweg ver-
söhnende, denn nicht nur das schwere Leid ergreift uns so mächtig bei
seinem Christus, sondern noch mehr fesselt das tief Gemüthvolle desselben,
sowie das Tragen des Leids mit edler Würde, mit Kraft und Festigkeit,
das Christus auch in der tiefsten Erniedrigung als Sieger und Erlöser
erkennen lässt; gerade hierin ist Dürer's Christus eines der tief empfunden-
sten, mächtigsten und edelsten Ideale, welche die christliche Kunst
geschaffen.
Den Reichthum seiner Phantasie entfaltet Dürer in seiner Kunst fürs