Kunst
Dürefs
Haus.
fürs
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Aber nicht nur in den wenigen Genrestichen ruht Dürer's Bedeutung
für das Sittenbild, so wichtig diese auch sind, um so mehr, als sie von
seinen Nachfolgern auf das Mannigfaltigste variirt wurden; sondern vor
Allem fördert Dürer das Sittenbild durch sein poetisches und malerisches
Erfassen des täglichen Lebens, das er aber seiner Zeit gemäss meist in
religiösen Stoffen ausspricht. Eines der schönsten Beispiele hierfür ist
der Kupferstich der: Geburt Christi von 1504 (B. 2), wo in die Ruine eine
armselige Hütte eingebaut ist, in der Maria und in einiger Entfernung die
Hirten vor dem Kinde knieen, während Joseph an dem Ziehbrunnen im
Hofe Wasser holt. Welche Fülle von Poesie liegt in dem einfachen Bildchen
dadurch, dass die eigenartigen Reize dieser kleinen Welt so liebevoll
erfasst sind; wie sieht der Künstler selbst in dieser zerbröckelten Mauer
des alten, einst stattlichen Gebäudes, an der kleinen Hütte mit morschem
Fachwerkbau, die in dasselbe gebaut wurde, das malerisch Anziehende;
man sieht, wie an dem Bewurf der Wand, an den Backsteinen und Balken,
auch an den verwitterten Fensterladen mit den eisernen Beschlägen und
an dem Brunnen jeder Strich empfunden, auch das Allerkleinste liebevoll
verstanden und dargestellt ist. Der Naturalismus ist kein neues Gut der
Renaissance, denn vom ersten Striche an, der gezeichnet wird, strebt der
NIensch, naturwahr zu gestalten, und die Entwickelung des Naturalismus
ist der rothe Faden in der Geschichte der Plastik und Malerei des Mittel-
alters; neu aber war dieses Vertiefen in die Natur bis ins Kleinste, das
liebevolle sich Versenken in dieselbe; echt deutsch aber ist es, auch das
bescheidenste Motiv in diesem Sinne aufzugreifen, den künstlerischen Reiz
auch des täglichen Lebens zu erfassen und dadurch den Beschauer zu
lehren, ihn selbst in seiner Umgebung aufzusuchen, eine der höchsten Auf-
gaben des Sittenbildes.
Dürer zeichnet in mehreren, namentlich früheren Stichen Wappen,
wie in dem mit grosser Feinheit ausgeführten Löwenwappen (B. 100); auch
hierin lehnt er sich an seine Vorgänger ebenso, wie mit den allegorischen
und humoristischen Wappen und dem freien Spiel mit den Wappenhaltern,
so entfaltet er seinen Humor auf dem frühen Stiche des Wappens mit den
drei Putten (B. 66), dagegen ist ein geistvolles, wirklich ergreifendes Blatt
sein Wappen des Todes von 1503 (B. 101), das die Jungfrau und der
wilde Mann halten, der sich kosend ihr naht, ebenso bezeichnend für die
reiche ornamentale Erfindung Dürer's, wie für seine sorgfältige, den Stoff
meisterhaft charakterisirende Behandlung. Auch später hat sich Dürer
noch mehrfach mit Wappenzeichnen, namentlich auch im Holzschnitt,
beschäftigt; ein Meisterstück dieser Art ist der grosse Holzschnitt des
Rogendorffer Wappens, geradezu grossartig in dem freien Schwung der
Linien, der phantasievollen Zeichnung des Ornaments.
Lässt sich in diesen Stichen, soweit sie auch denen der Vorgänger
Riehl, Kunstcharaktere. 9