Dürer's Kunst
Haus.
Darstellung des schwierigen Stoffes erholen wollte, so der Blick auf das
himmlische Jerusalem im Hintergründe der Scene, wo der Engel die
Schlange auf tausend Jahre in den Abgrund schliesst, die hübsche Baum-
gruppe auf dem Bilde, wo Johannes das Buch verschlingt, besonders aber
die reiche Seelandschaft unter dem Lamme, das die sieben Siegel löst
und die schöne, nur in grossen Zügen angedeutete, über der sich der
Kampf Michaels mit dem Drachen abspielt.
Dürer nimmt in der Geschichte der Landschaftsmalerei eine wichtige
Stellung ein; ein Irrthum aber ist es, ihn zum Begründer der selbständigen
modernen Landschaft zu machen. Gerade in seinen jüngeren Jahren
räumt er der Landschaft auf seinen Schnitten, Stichen und Gemälden eine
bedeutende Stellung ein, ich erinnere neben den Holzschnitten der Apo-
kalypse besonders an den Raub der Amymone, die grosse F ortuna und den
hl. Eustachius oder an die Gemälde der Beweinung des Leichnams Christi.
Gerade durch die richtige Erkenntniss der Forderung, des grossen Stiles
im Historienbilde aber musste Dürer dazu kommen, die Landschaft hier zu
beschränken, nur mehr in wenigen Zügen anzudeuten. Das Interessanteste,
was Dürer auf dem Gebiete der Landschaft leistete, sind seine Zeichnungen,
die besonders dadurch merkwürdig, dass sie den speciellen Charakter einer
Gegend oder auch nur eines einzelnen Motives auf das Schärfste betonen.
Darin lag allerdings die bedeutsamste Anregung für die Entwicklung der
Landschaft, aber es ist doch noch ein weiter Schritt von der landschaft-
liehen Studie bis zur selbständigen Gattung der Landschaft, deren Aus-
bildung das Verdienst der Niederländer der zweiten Hälfte des I6. Jahr-
hunderts und deren erste grosse Blüthe die Niederländer des I7. Jahr-
hunderts zeigen.
Als der Begründer einer neuen Kunst erscheint Dürer in der Apokalypse
aber vor Allem durch das mächtige, dramatische Leben, die volle NVucht
der Leidenschaft, der die ältere oberdeutsche, ja auch die niederländische
Kunst nichts Aehnliches an die Seite setzen kann und dabei der tiefe,
geradezu grossartige Ernst, der besonders jene erfüllt, welche Gottes
Befehle vollstrecken. Man betrachte auf dem Blatte der vier Engel, die
den Winden wehren, die beiden mächtigen Gestalten im Vordergrunde,
dann die vier Engel, die den dritten Theil der Menschheit töten, oder
den mächtigen Boten Gottes, der die Schlange auf tausend Jahre in den
Abgrund verschliesst, und vor Allem die apokalyptischen Reiter, um zu
erkennen, wie hier eine völlig neue künstlerische Auffassung sich geltend
macht, eine Energie der That, eine gewaltige, herbe Natur sich offenbart,
neben der die ältere Kunst, und zwar nicht nur die des Holzschnittes,
gar schwach und zahm erscheint. Am deutlichsten zeigt sich dies, wenn
man Werke ähnlichen Inhaltes der älteren Kunst neben die Dürer's hält;
auch der Vergleich mit den besten seiner Vorgänger belegt nur den