Volltext: Deutsche und italienische Kunstcharaktere

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Dürefs 
Kunst fürs 
Haus. 
hebt den Holzschnitt von der noch fast durchgehends handwerklichen 
Stufe jener zu einer wirklich künstlerischen Arbeit und befreite ihn aus 
seiner dienenden Stellung gegenüber dem Texte, deshalb können wir auch 
erst seit Dürer's Apokalypse in Wahrheit von Holzschnitten reden, die 
zur „Kunst" des deutschen Hauses gehören. Diese neue Bedeutung, die 
Dürer dem Holzschnitt errungen, die Bereicherung der Kunst des deutschen 
Hauses, die ihm dadurch gelang, ist eine der eigensten und trotz ihres 
bescheidenen Gewandes einflussreichsten und weitgreifendsten Thaten des 
Meisters. 
Als illustrirtes Buch, dem der biblische Text beigedruckt und dessen 
Zeichnungen sich streng an die Worte desselben halten, so schwer dies 
gerade hier dem Künstler oft fallen mochte, weist die Apokalypse auf 
den Zusammenhang der Dürefschen Holzschnitte mit den Werken seiner 
Vorgänger, aber gleichwohl ist gerade sie vor Allem geeignet, den grossen 
Unterschied zwischen beiden kennen zu lernen. Sieht man auf jene, 
besonders auf die Koburger Bibel von 1483, die Dürer sicher kannte, 
so sind die Anregungen, die er aus einem solchen Werk schöpfen konnte, 
ganz ausserordentlich gering; die Aehnlichkeiten, auf die man mit Nach- 
druck hingewiesen, rühren meist nur daher, dass eben beide Werke den 
gleichen Text illustriren, nur einige Aeusserlichkeiten, wie das Lamm bei 
der Illustration des XIV. Kapitels oder die Gestalt des siebenköpiigen 
Drachen stimmen überein; jedoch nur bei dem Bilde, wie Johannes den 
Auftrag erhält, seine Gesichte niederzuschreiben, hat man den Eindruck, 
dass das Bild der Koburger Bibel auf den jugendlichen Dürer einen 
gewissen Eindruck machte, sich dadurch seiner Phantasie fester einprägte 
und deshalb in seiner Apokalypse deutlich nachklingt. Irgend wesentliche 
Anregungen aber konnten diese Arbeiten Dürer nicht bieten, und der Ver- 
gleich derselben mit dem um etwa zwölf Jahre später begonnenen Werke 
Dürer's zeigt nur dessen hohe Originalitätl), und wie jene mit ihrem 
nüchternen Hinschreiben des Textes in Figuren ein ganz anderes Ziel 
verfolgten als Dürer, dessen Illustrationen eine künstlerische N euschöpfung 
der Gedanken des Textes boten, dessen Holzschnitte zeigen, wie ihn selbst 
der wirre gnostische Text zu mächtigen künstlerischen Gedanken anregte; 
erst durch ihn wurde die Apokalypse uns künstlerisch zu dem gewaltigen 
Begriff, den wir mit ihr verbinden, darin bewusst oder unbewusst unter 
dem Einflusse Dürer's stehend.  
Um die Grösse der Schöpfung Dürer's in seiner Apokalypse kennen 
zu lernen, muss man den Text Zeile für Zeile mit den Bildern vergleichen 
und man wird finden, dass nicht leicht ein Vorwurf möglich, welcher der 
 1) Zu diesem Resultat gelangt 
Dürefs Apokalypsie, Wien 1884. 
auch 
in 
Th. Trimmel 
seinem 
Beitrag 
Zllf 
Kritik von
	        
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