in einem schwülen Aprilabend ging ich vom Posilipo an dem
1 Palaste der Donna Anna vorüber nach Neapel. Ein schweres
J j t Gewitter zog sich über dem Vesuv zusammen und entlud
.rur'w sich dort ein majestätisches Schauspiel in der so unver-
gleichlich grossartigen Landschaft, die doch zugleich so reizende und an-
muthige Züge bietet. Das Unwetter zog rasch vorüber, und als ich nach
Einbruch der Nacht einen Spaziergang in der via caracciolo und dem
boschetto unternahm, lag der Golf heiter, in seiner ganzen Schönheit vor
mir, vom herrlichsten Sternenhimmel überwölbt. S0 folgte sich rasch ein
prächtiges Bild mächtiger Grösse und reiner Schönheit der italienischen
Landschaft; sie erinnerten mich und sie erklärten mir die Kunst eines
Michelangelo und Raphael, deren grosse Werke ich eben in Rom studirt
hatte, Da sang in der Nähe vor dem grand Hötel ein neapolitanischer
Bänkelsäxiger die Wacht am Rhein; die Leute haben das Lied gelernt,
weil es ihnen stets ein gutes Trinkgeld von den Deutschen einbringt, die
sich hier freuen über das heimische Lied, wenn es auch noch "so schlecht
gesungen, denn gerade die Sprache und Empfindung eines solchen Liedes
liegt völlig ausserhalb der Sphäre jener Sänger, deren echt volksthümliche,
schwermüthige Ritornelle uns drüben am porto mercantile so sehr ent-
zücken. So schlecht das Lied vorgetragen, so übte es doch auf den seit
Wochen allein in der Fremde Umherstreifenden seinen Reiz. Ganz leise
begann ich es selber zu singen und dann noch einige "Lieder hinterdrein,
echte, deutsche Volkslieder, wie ich sie als froher Student auf der Kneipe
und bei meinen Wanderungen durch Wald und Feld so oft gesungen,
und mitten in der schönsten italienischen Landschaft, begeistert von der
Grösse italienischer Kunst fühlte ich auf einmal tiefer denn je den Reiz
des deutschen Liedes,
So wurden meine Gedanken zurückgeführt zur Heimath und zur
heimathlichen Kunst; wie bescheiden, wie klein erschien mir diese aber,
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