(s er hl. Hieronymus in der Zelle, einer der schonsten Kupfer-
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x stiche Durers, zeigt den Heiligen an seinem. Schreibtische
f" 1n einer einfachen und behaglichen, mit grosster Sorgfalt
IÖÜK mfä geordneten Stube. In dem Vordergrund derselben haben
sich seine Begleiter, der Löwe und der Hund, zu einem kleinen Schläfchen
im warmen Sonnenschein niedergelegt, Nichts stört den tiefen Frieden,
nichts den Heiligen in seiner Arbeit, in die er ganz versunken.
Man hat in neuerer Zeit viel über die tiefere Bedeutung dieses Blattes
gesonnen; ich glaube aber, Dürer wollte hier ebenso wie auf dem Holz-
schnitte von 1511 nichts Anderes geben, als den Hieronymus, wie er an
seiner Bibel arbeitet; aber er erfasst den Gedanken mit solcher Wärme
und Poesie, dass er eine allgemein menschliche Bedeutung gewinnt; es ist
das Glück und der Friede stiller Geistesarbeit, die wohl nie schlichter und
poetischer ausgesprochen wurden. Dürer schafft hier so wahr, ergreift so
unmittelbar, weil er sein persönlichstes NVesen, seine eigenen, glücklichsten
Stunden künstlerisch gestaltet, weil er von dem Frieden erzählt, den er
selbst so oft empfunden, als er in dem Hause am Thiergärtnerthore, ebenso
durch seine Gedanken dem Aeusseren entrückt, in seinem Arbeitszimmer
die Zeichnungen zu seinen Holzschnitten machte und mit unendlichem
Fleiss an seinen Stichen arbeitete; nur von Zeit zu Zeit ruht er ein
wenig aus, freut sich der trauten, wohlgeordneten Stube und beobachtet
mit Vergnügen das Spiel der Sonne, wie sie durch die Butzenscheiben
scheint und die kleinen Ringe an die Wand zeichnet.
Betrachten wir den hl. Hieronymus Dürer's, der so behaglich bei
der Arbeit sitzt, aber näher, so mahnen uns die tiefen Falten, die sein
greises Antlitz durchfurchen, dass er das Leben auch von anderer Seite
kennen gelernt; wir erinnern uns, dass Dürer, der ihn ja gar oft dar-
gestellt, auf einem frühen Kupferstiche den Heiligen zeigt, wie er in
öder Felslandschaft, wo in wilder Schlucht seine kleine Klause liegt, vor