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Zwei Mönche von
S. Marco.
links von Christus. Das Bild wirkt dadurch nicht so harmonisch wie die
beiden reizvollen Werke von 1509, die Lucca besitzt; man hat das Gefühl,
dass der Meister, indem er die Schranken seiner Kunst durchbrechen will,
in mannigfache Widersprüche geräth, die er erst im folgenden Jahre durch
die veränderte Wahl der Gegenstände in der Assunta und dem salvator
mundi überwindet. Das gesteigerte Leben, die frische Kraft der Madonna
della misericordia verleihen aber doch dem Werke auch einen neuen eigen-
artigen Reiz, es gewinnt durch sie den Ausdruck eines echten Festbildes,
der Darstellung inniger Verehrung, zugleich aber auch des Jubels über die
himmlische, die Menschheit schützende Jungfrau.
Nur ein konsequenter Fortschritt der Entwickelung Bartolommeds
ist es, wenn er bei den beiden grossen Altarbildern von 1516 das Ganze
dadurch lebendiger gestaltet, dass er die Hauptfigur in einem historischen
Momente, nämlich auf dem einen Christus in der Auferstehung, auf dem
anderen Maria bei der Himmelfahrt darstellt. Auf der Assunta im Museum
zu Neapel schwebt Maria auf einer Wolke verzückt zum Himmel empor,
während am offenen Grabe Johannes der Täufer und Katharina von
Alexandrien knieen. Interessante Studienzeichnungen zu diesem Bilde
befinden sich in den Uffizien, so eine Röthelzeichnung der drei Haupt-
Figuren, dann eine flüchtige Studie zur Maria und drittens ein sehr
interessantes Blatt, eine Studie für die Haltung der Maria nach einem
männlichen, blos mit einem Hemd bekleideten Modell gezeichnet.
Der Auferstandene in der Galerie Pitti steht auf einem Piedestal vor
einer Nische von grossartiger Architektur; die Gestalt ist lebhaft bewegt
dadurch, dass er eben eine Stufe herabschreitet; die Rechte zum Segnen
hoch erhoben, in der Linken den Stab mit dem Kreuze, blickt er milde
hernieder. Am Fusse des Piedestals sitzen zwei reizende Engelknaben,
die eine Scheibe mit dem Bilde der Welt halten, über der auf einem
Untersatze mit der Inschrift: "salvator mundi" der Kelch steht; zu
beiden Seiten stehen die vier Evangelisten, tiefernste Gestalten, ruhig,
aber doch machtvoll in ihrem Wesen, gehören sie wie auch der Salvator
mundi durch die bedeutenden Charaktere, die Bartolommeo mit seltener
Kraft durchgebildet, zu den gelungensten Schöpfungen des Künstlers, dem
zumal in den letzten Jahren seines Lebens diese Charaktere als ein Stück
seines eigenen Wesens besonders nahe gelegen haben mögen.
Mit der Darstellung Christi im Tempel von 1516 und der Beweinung
Christi, die sicher auch in diese an bedeutenden Werken so merkwürdig
reiche letzte Periode des Künstlers gehört, geht Bartolommeo zu eigent-
liehen historischen Darstellungen über. Die beiden Werke, von denen das
erstere in der kaiserlichen Galerie zu Wien, das letztere in der Galerie
Pitti in Florenz, gehören zu seinen vollendetsten Arbeiten. Auch hier ist
einfache Grösse, feierliche Würde das Charakteristische, nur durch ganz