Marco.
Zwei Mönche von
noch alles in einer Fläche übereinander gereiht ist, er strebt nach Gruppirung
und freierer Bewegung, die jenem noch sehr ferne liegen, er erreicht darin,
in dem was seiner Kunstsphäre nahe lag, in den Seligen und den Engeln,
auch bei den himmlischen Beisitzern des Gerichtes die bedeutendsten Fort-
schritte; ja sogar bei den Verdammten, so schwächlich sie, Weil dem ganzen
Wesen seiner Kunst fernliegend, in mancher Beziehung sein mögen, zeigt
die wirre Flucht in der sie von den Teufeln gejagt in die Hölle eilen,
wobei im Vordergrunde einer niedergerannt wird, doch eine so lebensvolle
Gestaltung der Situation, wie sie jenem Künstler noch fern lag.
Die Komposition von Fiesole's jüngstem Gericht ist im Ganzen von
einheitlicher Wirkung, die Hauptgruppen sind klar auseinander gehalten;
natürlich baut sie sich unter dem Einfluss mittelalterlicher Kunst noch auf
einer gewissen symmetrischen Gleichwerthigkeit auf, aber es zeigt sich doch
besonders bei den Seligen nur mehr ein allgemeines Entsprechen der
Gruppen, statt ängstlicher Symmetrie; Christus, besonders die mandel-
förmige Glorie, die ihn umgiebt, weisen zurück auf das Mittelalter, aber
die reizenden Engel, die so anmuthig die Glorie umschweben, sind die
Zeugen einer neuen, freieren Kunst. Die Anordnung der Apostel und
Heiligen nimmt Fiesole wieder von der mittelalterlichen Kunst, aber während
sie dort einfach nebeneinander sitzen, strebt er nach malerischer Vertiefung,
er sucht die Figuren im Halbkreise anzuordnen und weist damit auf
das Problem, das Fra Bartolommeo in seinem jüngsten Gerichte wieder
aufgriff und Raphael so meisterhaft in der Disputa löste; zugleich weiss
er dadurch, dass vorne Franziskus und Dominikus, innen Johannes und
Maria etwas ausserhalb der Reihe gerückt sind, eine allzu harte Anordnung
geschickt zu vermeiden. Am interessantesten aber erscheint auch nach
dieser Seite die Gruppe der Gerechten und der Engel. Schon diese Fiesole
originale Vereinigung ist höchst bedeutend, durch sie wird zuerst der
Gedanke angeregt, die Gerechten in den Himmel einziehen zu lassen und
dadurch den bisher streng getrennten oberen und unteren Theil des
jüngsten Gerichtes zu verbinden. Fiesole stellt diesen Gedanken sehr naiv
dar, gegen die Mitte des Bildes sehen wir die Gerechten, die ihr Dank-
gebet zum Himmel emporsenden, Engel geleiten aus dieser Gruppe einzelne
heraus und führen sie zu den Reigen der Seligen und Engel, der durch
eine blumige Wiese tanzend in das himmlische Thor seinen Einzug hält.
Dieser Reigen ist ebenso anziehend durch die anmuthige Bewegung des
Ganzen, wie durch die Fülle der zartesten Einzelmotive. Besonders reizend
ist die freundliche Bewillkommnung der Gerechten durch die Engel: hier
begrüsst einer einen jungen Mönch, indem er ihn liebend an sich drückt,
dort betet ein Engel einem Mönch vor, ein dritter zeigt den Weg zur
himmlischen Pforte, der letzte Engel im Reigen dreht sich nach einem
Mönch unter den Gerechten um und fordert ihn auf, sich dem Reigen an-