von S. Marco.
Zwei Mönche
IOI
Nicht minder anziehend als die Engel, die auf der Madonna della
stella und dem Altar für die linaiuoli die Madonna verehren, ist der
berühmte Engelreigen auf dem jüngsten Gericht (Florenz. Akademie) ein
Werk, das mit am geeignetsten erscheint, des Meisters historische Stellung
zu präcisiren und zu zeigen, wie er trotz des unleugbaren Gegensatzes,
in dem er zu den epochemachenden Künstlern seiner Zeit steht, trotz des
conservativen Elementes, das eben seine Kunst und sein Leben bedingen,
in seiner Weise doch ein echter Künstler des I5. Jahrhunderts gewesen,
in seinem Kreise die Kunst vielleicht nicht minder als jene Meister ge-
fördert hat; aber bescheiden und zurückhaltend, wie sein ganzes Wesen,
ist seine Kunst, und so treten uns auch ihre Verdienste nicht so schlagend
entgegen, wie die jener lVleister, die energisch, ja gewaltsam in die Ent-
wicklung eingriffen.
Um F iesole's Fortschritte in seinem jüngsten Gerichte zu würdigen, muss
man es mit den Werken seiner Vorläufer, die er offenbar eingehend studirte,
vergleichen; es sind zwei der hervorragendsten Werke, die hier in Betracht
kommen: Orcagna's jüngstes Gericht in S. Maria novella in Florenz und
das F resko des jüngsten Gerichtes und der Hölle auf dem campo santo
in Pisa; dass F iesole auch das letztere gekannt, scheint mir sowohl aus
diesem Bilde, wie aus der älteren kleinen Darstellung des jüngsten Ge-
richtes der letzten jener oben erwähnten 35 Scenen des Lebens Christi
sicher hervorzugehen. Es liegt nahe, in erster Linie einen Anschluss Fiesole's
an das jüngste Gericht, Paradies und Hölle Orcagna's in der capella
Strozzi von S. Maria novella zu vermuthen; in der That scheint Fiesole
von diesen Bildern auch Anregungen empfangen zu haben, die er aber
sehr frei verarbeitete; die Gruppe der Apostel beim jüngsten Gerichte,
manche der Gestalten im Paradiese wirkten offenbar anregend auf ihn,
aber weder bei der Hölle, wo Orcagna eine sehr unmalerische, rein
graphische Darstellung von Dante's Hölle bringt, noch bei dem Paradies,
wo die ganze Anlage Orcagnafs ohne jede malerische Vertiefung mit dem
einfachen Uebereinanderreihen der Seligen doch in hohem Grade mittel-
alterlich befangen erscheint, noch auch bei dem jüngsten Gerichte selbst,
wo für Orcagna durch das Fenster in dieser Wand eine freie Composition
unmöglich war, lässt sich irgend ein näherer Anschluss Fiesole's an ihn
nachweisen. Dagegen erinnert die ganze Anlage der Composition an das
Fresko in Pisa, und in der Hölle giebt Fiesole nur eine reducirte Dar-
stellung jener. An grossartiger Wucht der Auffassung, im erschütternden
Schmerz der Verdammten ist der geniale Künstler des Freskos auf dem
campo santo, der zu den grössten Meistern des I4. Jahrhunderts gehört,
Fiesole überlegen; aber schon auf den ersten Blick sehen wir in Fiesolds Bild
das Werk einer reiferen Kunst, er zeigt malerischen Sinn dadurch, dass
sich seine Komposition in die Tiefe des Bildes erstreckt, während dort