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Zwei Mönche von
Marco.
nicht den begeisterten Jubel, wie ihn Melozzo da Forli oder Tizian malt,
seine musicirenden Engel sind der Ausdruck eines heiteren, friedvollen
Glückes, aber innerhalb dieser gemeinschaftlichen Stimmung zeigen sie die
mannigfaltigsten Verschiedenheiten, nirgends eine Wiederholung, sondern
jede Figur neu durchdacht, selbständig empfunden. Nicht auf die grossen
Gegensätze scharf ausgeprägter Charaktere wies Fiesole die Florentiner
Kunst, wohl aber auf die feinsten Nuancen innerhalb verwandter Stimmung,
und zwar mit gleich feiner Empfindung nach der Seite stiller Trauer und
wehmüthigen Schmerzes, wie dies z. B. seine Kreuzigung und Kreuz-
abnahme zeigten, wie andererseits in diesen Engeln oder in dem Engel-
reigen des jüngsten Gerichtes nach Seite eines glücklichen, von heiterem
Frieden beseeligten Daseins. So hat denn jede dieser herrlichen Gestalten
ihre eigenen Vorzüge; als die schönste derselben mag man vielleicht den
Posaunenbläser nennen, der eben sein Instrument absetzt und begeistert
aufwärts blickt; eine der sinnigsten Figuren ist der zarte Geiger, besonders
anmuthig der Trommler und der Tamburinspieler, bei welch letzterem die
tanzende Stellung mit dem leichten Rückwärtsneigen des Oberkörpers auf
die Beobachtung von Tarantellatänzern deutet. Die Bewegung der ein-
zelnen Figuren ist sehr fein unterschieden, und so zeigt Fiesole auch nach
dieser Seite hin einen Fortschritt; er konnte nicht der Mann sein, durch
den die Bewegung der Gestalten in kraftvoller Aktion gefördert wurde,
aber er verstand es, die leichte, halb schreitende, halb schwebende Be-
wegung mit einer Anmuth zu beleben und so fein zu variiren, dass ihn
hierin nicht leicht ein anderer Künstler wieder erreicht, geschweige denn
einer der älteren Meister gleichgestellt werden könnte, obgleich diesen
im Einzelnen mancher gute Versuch gerade nach dieser Seite hin
gelungen.
Dem Versuche, Engel zu bilden, verdanken wir im Laufe der jahr-
hunderte gar manche schöne Gestalt der christlichen Kunst, aber keiner
hat dieses Ideal zarter, anmuthiger und inniger erfasst, als Fiesole; bei
ihm sind die Engel durchaus wahr, denn er glaubte an sie mit kindlicher
Unbefangenheit, und sein seelenvolles, friedlich heiteres Wesen lässt ihn
zur Darstellung dieser Gestalten ebenso einzig begabt erscheinen, wie der
kindlich befangene Standpunkt seiner Kunst; wären diese Engel auch nur
mit dem Sinn für Durchbildung körperlicher Form, wie ihn Ghiberti oder
Luca della Robbia zeigen, behandelt, wie viel würden sie von ihrem
poetischen Reize verlieren. Wie in der Natur und im menschlichen Leben,
so hat eben auch in der Kunst jede Entwickelungsstufe ihre eigenartigen
Reize; die Kunst Fiesole's aber ist eine Kunst, die dem ersten frischen
Leben im Frühling oder dem zum Mädchen heranblühenden Kinde ver-
glichen werden kann, und so stand sie in einer Harmonie mit diesen
Gestalten einer völlig naiven Phantasie, wie keine spätere Epoche.