Zwei
Mönche von
Marco.
schlicht, gerade dadurch aber so sehr zum Herzen sprechend, das Leiden
Christi als den höchsten Akt der Religion der Liebe dargestellt hätte,
wie Fiesole.
Mehr nähert sich der eigentlich historischen Auffassung das umfang-
reiche Wandgemälde der Kreuzigung im Kapitelsaal schon durch die
Beifügung der beiden Schächer, sowie durch die Gruppe mit den klagenden
Frauen und Johannes; aber doch will auch hier der Künstler nicht eine
Darstellung des historischen Ereignisses geben, schon die Anwesenheit
Johannes des Täufers, des hl. Laurentius, Hieronymus und der Domini-
kaner widerlegt dies; das Bild erscheint mehr den stimmungsvollen An-
dachtsbildern der Venezianer verwandt; es wird eine Anzahl von Heiligen
zusammengestellt, unbekümmert um Zeit und Raum, wann und wo sie
gelebt haben, verbunden aber hat sie Fiesole durch den gemeinsamen
Schmerz um das Leiden Christi, und ergreifend wirkt, wie die Vertreter
der Kirche erschüttert dastehen im Anblick des Leidens ihres Herrn. Am
charakteristischsten aber ist die Art dieses Schmerzes; es ist keine bittere
Klage, nicht der laute Schrei der Verzweiflung, den besonders die
Oberitaliener, mitunter bis zu den grässlichsten Verzerrungen gesteigert,
darstellenf, sondern stiller Kummer, ein Schmerz, der sich in Thränen
Luft macht, und still duldend, ohne laute Klage, bricht auch Maria
zusammen.
Von den Fresken, mit denen F iesole die Zellen seiner Brüder
schmückte, sind einige, bei denen er wohl Gehilfen beizog, flüchtiger be-
handelt; andere gehören aber gerade dadurch, dass sie leicht als unmittel-
bare Eingebung des Künstlers hingesetzt sind, zu seinen gelungensten und
frischesten Arbeiten. So die Verklärung Christi (Zelle 6), ein Bild von
wirklich grossartiger Auffassung; die Gefangennahme Christi (Zelle 33),
mit grosser Liebe ausgeführt und gut erhalten, besonders interessant durch
die Charakteristik Christi, welcher ruhig und fest, voll Würde dem Judas
scharf ins Auge sieht, der hastig auf ihn zueilt. In hohem Grade bezeich-
nend für Fiesole ist auch die Verspottung Christi in Zelle 7. Im Vorder-
grunde rechts sitzt hier ein Dominikaner, der in einem Buche liest und
sinnend die Rechte an das Kinn legt, links dagegen die klagende Maria.
Dem Christus, dessen ganzes Wesen von sanfter Würde erfüllt ist, sind
die Augen verbunden; von den Schergen sind nur die Hände angedeutet,
die Christus schlagen, und der Kopf dessen, der ihn anspuckt; man kann
sich wohl, namentlich im Hinblick auf die ruhig erhabene Gestalt Christi,
keinen grösseren Gegensatz zu dieser Auffassung denken, als die gräss-
lichen Marterscenen, durch die besonders die oberdeutsche Kunst die
Verspottung Christi darstellte. Gerade die eigenartige Auffassung des
leidenden Christus zeigt, zumal sie sich ganz aus dem Charakter
Fiesoles erklärt, bei ihm den individuellen Künstler des I5. Jahrhunderts.
Riehl, Kunstcharaktere. 7