Verona.
wirkung, und legt deshalb weniger Werth auf sorgfältige Durchbildung
des Einzelnen.
Die Reliefs, die Scenen aus dem Leben Christi darstellen, zeigen
durchweg eine frische, naturalistische Auffassung; nur in dramatischen
Scenen ist der Künstler steif und befangen, es fehlt ihm die Energie der
Handlung. Auch die Composition ist hier oft sehr ungeschickt, wie bei
der Geisselung und der Kreuzabnahme, besonders auch bei der Bestattung
Christi; erfreulich ist aber doch auch hier, wie der Künstler durchweg
selbständig erzählt, neu erfindet. Mehr kommen seine Vorzüge zur
Geltung bei Scenen wie die Gefangennahme Christi, wo zwar auch die
Aktion recht schwach, dagegen höchst anziehend die milde, edle Haltung
Christi, und interessant ist hier auch die zahlreiche Kriegerschaar, mit den
verschiedenartigsten, zum Theil sehr phantastischen Rüstungen ausgestattet
und mit den mannigfaltigsten Waffen, sowie mit Laternen, brennenden
Pechkörben u. s. w.
Die schlichte Wiedergabe der Natur, durch die auch das fast lebens-
grosse, trcffliche Portrait des betenden Stifters so sehr anzieht, ist ent-
schieden der Hauptvorzug des Künstlers, der sich am ansprechendsten
entfaltet, wo ein mildes, stimmungsvolles Wesen den Grundton bildet,
wie bei Christus am Oelberg, der zu den schlafenden Jüngern tritt, noch
mehr aber bei Scenen, in denen er gemüthlich in epischer Breite erzählt,
bei denen sich auch sein Gefühl für anmuthige Formen aussprechen kann,
so bei der Anbetung der Könige, deren stattliches Gefolge wir in langem
Zuge durch die Gebirgslandschaft heranziehen sehen, oder in der Geburt
Christi, wo die Engel sehr anmuthig sind, die lobsingend die arme Hütte
umschweben. Durch die reiche Landschaft, die manchmal mit Thieren
belebt und durch die ausführliche Erzählung zieht den Nordländer diese
Kunst an, als der heimischen des I 5. Jahrhunderts verwandt, noch mehr aber
weist sie auf die spätere venezianische Kunst hin, auf Meister wie Gentile
Bellini und Carpaccio.
Aehnlich wie bei Verona's Kunst der romanischen Periode ist bei
seiner Plastik im 14. und im Beginn des I5. Jahrhunderts die historische
Bedeutung keineswegs mit der Thätigkeit innerhalb der Stadt erschöpft,
sondern zeigt sich erst durch die Einflüsse, die sie auf einen weiten Um-
kreis übte. Zunächst scheint sie wesentlich auf die Entwicklung der
Plastik Venedigs eingewirkt zu haben, die noch lange an dem gothischen
Stil festhält, dann aber namentlich auch auf die Brennerstrasse und deren
nördliches Mündungsgebiet. Zwar ist es heute noch schwer, diese Einflüsse
im Einzelnen nachzuweisen, auch zeigt sich in der gothischen Plastik eine
grosse Selbständigkeit deutscher Kunst in den betreffenden Gegenden und
ein weiteres Vordringen derselben nach dem Süden als in Architektur und
Malerei, was vor Allem wohl darin gründet, dass die besten Werke der