Volltext: Deutsche und italienische Kunstcharaktere

Verona. 
Eidechsen sich tummeln. Bedeutender noch zeigt sie die kühne Verkürzung 
der ganz rund gearbeiteten Wächter; gerade dieser Naturalismus aber 
weist zurück auf Donatello, und ebenso die kleinen Kinderengel, die den 
Vorhang zurückschlagen, oder der Engel, der den Deckel von dem 
Sarkophag hebt, aus dem Christus ersteht. 
Wie congenial gerade der Naturalismus und die scharfe Charakteristik 
Donatello's die Oberitaliener berührten, beweist sein Einfluss auf die Schule 
von Padua, Qvor Allem auf deren grössten Meister Andrea Mantegna, 
verwandtes Streben aber zeigte uns bei den Veronesern schon die eben 
besprochene Beweinung des LeichnamsrChristi in S. Fermo, und das 
erklärt die bedeutende Wirkung, die das Denkmal Brenzoni auf die 
Veroneser Plastik übte, von der dann auch deutlich das nächste grosse 
Grabmal zeugt, das des Cortessia Sarego (gestorben 1439) im Chor von 
S. Anastasia. 
Weit mehr als das Brenzoni-Denkmal hängt das des Sarego mit der 
älteren Kunst zusammen. Gothische Consolen tragen den Sarkophag, den 
einfache Renaissancemotive gliedern und über und neben dem das natür- 
liche Gestein, offenbar das Brenzoni-Denkmal nachahmend, etwas un- 
geschickt angeordnet ist; gothisches Laub- und Astwerk umringt das 
Ganze. Statt der Putten des Florentiners schlagen Knappen den Vorhang 
zurück, deren einer demüthig seine Mütze abzieht, und die für den 
Naturalismus der Oberitaliener in seiner schroffen, im Vergleich zu den 
Florentinern auch etwas unbeholfenen und schwerfälligen Art ebenso 
charakteristisch sind, wie der auf dem Sarkophag ruhig daher trabende 
Reiter speciell für den Veroneser, der seine Studien zu Grabdenkmalen 
in erster Linie eben doch an den Skaligergräbern machte. Mag bei dem 
Brenzoni-Denkmal der Florentiner gewisse Zugeständnisse an den ein- 
heimischen Stil machen, in der Hauptsache ist sein Denkmal doch ein 
Werk der Frührenaissance, während das Sarego-Denkmal, wahrscheinlich 
von einem Veroneser geschaffen, mehr an den lokalen Traditionen fest- 
hält, dadurch stärkere Nachklänge der mittelalterlichen Kunst zeigt und 
so voll und ganz als das Werk eines Uebergangsstiles erscheint, der fast 
noch so viel zum Mittelalter wie zur Renaissance gehört, wie jene gothischen 
Paläste Ver0na's mit ihren Renaissanceportalen. 
Noch klarer zeigt diesen Charakter des Uebergangsstiles ein umfassen- 
des Werk in S. Anastasia, das etwa gleichzeitig mit dem Sarego-Denkmal 
entstanden, nämlich der reiche Terracottenschmuck der capella Pellegrini. 
Diese Thonreliefs besitzen zwar im Detail viel Handwerkliches, und theil- 
weise mag damit das auffallend starke Nachklingen der Kunst des 
I4. Jahrhunderts in denselben, besonders in den Gewandmotiven, zu- 
sammenhängen; im Ganzen aber ist das Werk doch von trefflicher 
Wirkung, es beabsichtigt eben eine reiche, mehr dekorative Gesammt-
	        
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