Verona.
figürlichen Schmuck, nicht auf dem wenig bedeutenden architektonischen
Aufbau. Die hoheitsvolle Madonna aber zeigt, wie überlegen in der Form
die Toskaner dem Norden, ihre kalte Ruhe dagegen, wie sie erst allmählich
lernten, diese Form zu beseelen, während namentlich die deutsche Kunst
oft bei viel geringerem formalen Können ein weit tieferes Empfinden zeigt.
Das Denkmal in Orvieto ist um mehr als vierzig Jahre älter als das des
Can grande della Scala (gestorben 1329) über der Kirchenthür zu
S. Maria antica, das sich, gleich dem älteren Mastino I. (gestorben 1277),
noch an die Kirche anlehnt, während erst die späteren die ganz freie
Stellung wagen; es ist um fast hundert Jahre älter als das des Can Sig-
norio (gestorben 1375), und doch ist das Werk des Arnolfo di Cambio
ein Vorbote der Renaissance; dagegen sind die Grabmäler der Skaliger
ächt mittelalterliche Denkmale, gewiss ein charakteristischer Gegenzug der
Entwicklung oberitalienischer und toskanischer Kunst.
Trotz aller Verwandtschaft der Skaligergräber zur deutschen im Gegen-
satz zur toskanischen Kunst, erscheint ihr ganzer Charakter doch auch
von der deutschen Kunst wesentlich verschieden. Der schöne Brunnen in
Nürnberg, der nur wenig später als die letzten Skaligergräber entstanden,
lockt als eines der seltenen Denkmäler weltlicher Kunst des Mittelalters
in Deutschland, das als monumentaler Schmuck eines freien Platzes gefertigt,
entschieden am meisten zur Parallele. Der schöne Brunnen ist ein architek-
tonisches Denkmal, eine mit der ganzen Consequenz deutscher Gothik
aufgebaute Thurmspitze, die in den beiden unteren Stockwerken durch
Statuen geschmückt ist, welche sich streng in den architektonischen Rahmen
fügen. Bei den Skaligergräbern dagegen ist die Architektur als Bau über
dem Sarkophag weit freier gehandhabt; die Skulptur gewinnt doch eine
ganz andere, wesentlich selbständigere Bedeutung. Die Figuren auf den
Pfeilern der Umfassung sind freistehende Statuen, nicht angelehnt an die
Pfeiler, welche sie dekoriren. Die Baldachine, unter denen die Heiligen stehen,
sind für diese gebaut, die Figuren auf den Consolen am Denkmal Mas-
tino II. bewegen sich völlig frei, und das Reiterstandbild, das hier
noch als dekorativer Abschluss dient, sollte bald, wie beim Grabmal des
Sarego (1432), die Hauptsache werden und erscheint als Ahnherr der
grossen Reitermonumente, die später die Oberitaliener in Padua, Venedig
und Mailand durch F lorentiner ausführen liessen.
Dass eine solche Reihe bedeutender Werke wie die Skaligergräber
nur an dem Mittelpunkte einer grossen plastischen Thätigkeit entstehen
konnte, liegt nahe, und Verona war ein solcher im I4. und in der ersten
Hälfte des I5. Jahrhunderts, was die Ausschmückung der Kirchen der
Stadt, auch einige beachtenswerthe Skulpturen im Museum deutlich
erkennen lassen. Von den ziemlich zahlreichen Grabmälern dieser Zeit,
die meist das Bildniss des Verstorbenen in ganzer Figur zeigen, möge
6?!