Volltext: Die Physiologie des Fliegens und Schwebens in den bildenden Künsten

Körper selbst, wenn er im Weitsprung durch die Luft fährt, 
hinterlässt, wenn auch Wegen der Geschwindigkeit der Bewegung 
ziemlich undeutliche Gedächtnissbilderf) die hier in Betracht 
kommen können. Es sind also die Erscheinungen, welche die 
Physik der Trägheit zuschreibt, mit denen wir es hier zu thun 
haben. Thatsächlich sind es meistens rasche und kurzdauernde 
Bewegungen dieser Art, die wir zu beobachten Gelegenheit 
haben; der Künstler postulirt, dass wir sie in unserer Phantasie 
aufgrössere Zeiträume ausdehnen. Er hat auch ein Recht zu 
einer solchen Forderung, nicht nur weil ähnliche in allen Ge- 
bieten der Kunst gestellt werden, sondern .auch weil seine 
Figuren schwerlos sind, und dadurch die Hauptursache weg- 
fällt, aus welcher insbesondere langsame Trägheitsbewegungen 
in der Luft so rasch zu Ende sind. Die Körper fallen eben zu 
Boden, ehe wir sie mit Musse betrachten können. 
In der That, man könnte auch diese Hergottsgestalt Michel- 
angelo's als lebendiges Bild, und zwar sammt seiner Bewegung 
darstellen, wenn man dieses erstens, wenigstens theilweise, im 
Wasser thäte, und zweitens dem Darsteller erlaubte, sich durch 
kräftigen Anlauf den nöthigen Schwung zu geben. Es ist gewiss 
kein Zufall, dass das Wort "Schwung", welches als vulgärer 
Ausdruck für den physikalischen Begriff "Trägheit" betrachtet 
werden kann, am besten die in Rede stehende Bewegungsform 
bezeichnet. „Eilenden Schwungs erreicht er die seligen Höhen 
des Olympos" sagt Homer von Aresß) 
Als ein den Wiener Gallerien entnommenes Beispiel für 
unseren Gegenstand führe ich die "Teufel-Austreibung" von 
Rubens an. Die Dämonen haben die Körper oder Besessenen 
eben verlassen und fahrenidurch das Fenster hinaus. Auch ihre 
Stellungen entsprechen den rnitgetheilten Anschauungen, nur 
hat Rubens noch das Motiv des Windes hinzugefügt. Die Ge- 
wänder deuten an, dass ein unheimlicher Luftzug die Teufel 
begleitet und ihre Bewegung beschleunigt.  
Die uns geläufigen Bewegungsphänomene, welche auf dem 
Principe der Trägheit beruhen, beschränken sich, insofern sie 
1) Vergl. Brücke: "Darstellung 
Künste." Deutsche Rundschau 1881. 
2) Voss, Ilias V. v. 868. 
der 
Bewegungen 
durch 
die 
bildenden
	        
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