möglich ist, müssen die Extremitäten sich frei nach allen Rich-
tungen bewegen können, dürfen also nicht dem Körper angelegt
sein. Alle diese Umstände kommen aber nicht in Betracht,
sobald die schwerlosen Gestalten in der Luft sind, auch der
letzte nicht, sie müssten denn eben als in der Luft schwimmend
gedacht werden.
Wenn jeder rasch von oben herunterkommende Engel oder,
um ein bekanntes Beispiel anzuführen, Tintoretto's St. Marcus
in der Akademie zu Venedig, der vom Himmel kommend des
Sklaven Fessel sprengt, mit dem Kopfe tiefer als mit den
Beinen dargestellt ist, so taucht er eben vom Himmel gerade
so zur Erde nieder, wie wir durch unsern anatomischen Bau
und die mechanischen Verhältnisse gezwungen, nach dem Grunde
des Wassers tauchen, wie er es aber niemals nöthig hätte,
wenn er eine schwerlose Gestalt der Lüfte Wäre. Oder wer
glaubte es dem Teufel Signorellfs im Dom von Orvieto, dass
er mit seinen schwachen Flügeln nicht nur die Last des eigenen
Körpers, sondern auch noch die des Weibes, das er auf den
Rücken geladen hat, durch die, Lüfte trägt? Er ist vielmehr
schwerlos, als wäre er im Wasser, ja er hat die typische Stellung
eines schwimmenden, und trägt genau so, wie ein Mann im
Wasser tragen würde.
Jenes in den Sculpturen so oft vorkommende Engelspaar,
welches schwebend ein Medaillon trägt (auf Grabmälern) oder
wie im oben angeführten Beispiele die Krone Mariens, oder
welches die Vorhänge des Baldachins, unter dem die Madonna
sitzt, zurückschlägt 1) u. s. w., soll es als fliegend mit normalem
Körpergewicht gedacht sein? Ein solcher Engel müsste dann wie
ein Rüttelfalke sich durch rasch aufeinanderfolgende Flügelschläge
am selben Fleck erhalten. So sind die Engel nicht gebildet.
Sie erscheinen vielmehr wie Schwimmer, die einen in's Wasser
eingesenkten Gegenstand ohne nennenswerthe Kraftanstrengung
in seiner Lage erhalten. Ueberaus wirkungsvoll und in diesem
Punkte überaus lehrreich ist das Bild Luino's aus der Brera
zu Mailand. Drei Engel
Katharina durch die Luft,
tragen den
um ihn in
Leichnam
sein Grab
der heiligen
einzusenken.
Vergl.
die
VOR
Madonnenbilder
Fra
Bärtolomeo.