lich nicht absolut zu bestimmen. Er darf nichts bilden, dessen
Unmöglichkeit in die Augen springt. Jenseits dieser Grenze
war meines Erachtens ein Landschaftsbild, das, es mögen zwei
Jahre her sein, im Wiener Kunstverein ausgestellt war. In einer
Gebirgsschlucht tobt ein Gewittersturm. Ein Blitz schlägt in eine
hohe Fichte. Derselbe ist auf dem Bilde als Blitzstrahl gemalt,
wie er von rechts oben kommend, etwa zwischen dem unteren
und mittleren Drittel den Baumstamm trifft. Derselbe brennt
an der getroffenen Stelle und ist ebenda abgeknickt, so dass
sein Wipfel auf dem Boden liegt. Eine solche Darstellung ist,
wenigstens für mich, schon uncorrect, denn die Erinnerung an
die kurze Dauer des Blitzstrahles, sowie der Langsamkeit, mit
welcher ein Gegenstand, wie eine solche Fichte ist, sich neigt
und stürzt, ist so fest in meinem Gedächtnisse eingewurzelt
und mit anderen Erinnerungsbildern verflochten, dass mir auf
den ersten Blick die Widersinnigkeit aufiiel, die darin liegt, dass
man den Blitz noch sieht und der Baum schon auf dem Boden
liegt. Von der Richtung des Blitzes, der Stelle, an welcher er
den Stamm trifft, von seinem schnellen Zünden will ich schweigen.
Nachdem wir uns die Rolle, welche die Erinnerungsbilder
bei Beurtheilung von Kunstwerken spielen 1), in's Gedächtniss
zurückgerufen haben, kehren wir zu unserem Thema zurück
und versuchen, nicht auf Grund theoretischer Ableitung, sondern
an der Hand der vorliegenden Kunstwerke zu einem Verständ-
niss unserer Gestalten zu gelangen.
Zunächst ist hervorzuheben, dass ein Fliegen menschlicher
Gestalten im mechanischen Sinne des Wortes niemals künst-
lerisch dargestellt wurdez). Mir wenigstens ist keine Figur
bekannt, der man ansehen würde, dass sie sich, obwohl sie das
normale Gewicht hat, durch ihre Muskelarbeit in der
Luft bewegt, so wie man einer tragenden, einer laufenden,
einer ziehenden Figur rhre Arbeit ansieht. Was künstlerisch
dargestellt wurde, sind immer nur Gestalten, die von ihrem
normalen menschlichen Gewichte befreit sind, dabei
1) Vergl. Fechner: "Vorschule der Aesthetik". I, pag. 86.
2) Es gibt Figuren, wie z. B. einige im "Triumph des Todes" zu
Pisa, weiche den Namen menschlicher Gestalten nicht mehr verdienen. Sie
sind wie Vögel gebildet und machen auch den Eindruck ("liegender Vögel.