lich historischen liegt, aus Asien eingewandert ist, wobei der
Charakter der Gestalten freilich eine wesentliche Abänderung
erfuhnl)
Seit jener Zeit, bis auf den heutigen Tag, sind die
fliegenden und schwebenden Gestalten in der Kunst gang
und gäbe.
Es gibt immer noch Künstler, denen die peinlich genaue
Nachahmung der Natur die wichtigste Aufgabe der Kunst zu
sein scheint. Würde man einen solchen fragen, in Welcher Art
er eine schwebende oder fliegende Gestalt, die er doch nie
gesehen hat, noch je sehen wird, darstellen Wollte, so könnte,
er vielleicht antworten: „Ich habe auch nie eine menschliche
Gestalt auf dem Kreuze hängend gesehen, und male sie doch;
ich male sie eben so, wie die menschliche Gestalt aussehen
müsste, wenn sie an's Kreuz geschlagen wäre. Ebenso werde
ich die schwebende und fliegende Gestalt malen, wie sie aus-
sehen müsste, wenn sie wirklich. fliegen oder schweben könnte."
Dieser Künstler befände sich in einem groben lrrthum, er
wird seine Gestalten nicht nach dem von ihm aufgestellten
Principe malen, und falls er es doch thut, so wird er etwas
ganz Anderes malen, als das, was alle seine Vorgänger gemalt
haben. Betrachten wir in der That etwas genauer, wie eine
menschliche Gestalt aussehen müsste, die der genannten Forde-
rung strenge nachkommen würde, also fliegen, d. h. sich durch
die Kraftleistungen ihrer Muskeln frei in der Luft erhalten kann.
Wir würden ihr hiezu natürlich Flügel geben. Das Knochen-
gerüst der Flügel ist in der ganzen Natur eine Modification
des Knochengerüstes der vorderen, bezüglich oberen Extremität.
Die Flügel sind also die Arme der Vögel und jedes nach dem
Typus des Wirbelthieres gebaute Wesen kann also nur entweder
Arme oder Flügel haben; sollten nebst den Armen noch Wirk-
lich brauchbare Flügelknochen in das Skelet eingesetzt werden,
so würde das eine vollständige Umänderung des ganzen Skeletes
erfordern, und die Gestalt würde ihrem Skeletbau nach im
besten Falle wie eine Missgeburt erscheinen. Weiter müssten
1) Langbehn: "Die Flügelgestalten der ältesten griechischen
München 1881. In diesem XVerke finde! sich auch die einschlägige
logische Literatur über unseren Gegenstand.
Kunst."
archäo-