Em GRUNDPROBLEM DES KUNSTGEWERBES. 79
erkannt und daher auch nicht immer richtig angewendet
werden.
Die erste und nächstliegende ist die des bildlichen
Charakters. An einer Stelle, wo ein wirkliches Blatt weder
vorhanden ist, noch vorhanden sein kann, wird durch Nach-
bildung die Vorstellung eines Blattes hervorgerufen, und
zwar dadurch, daß ein Stoff, der selbst nie zur Gestaltung
einer Blattform gekommen wäre, sich der einem fremden
Stoffe entlehnten Form, tinterworfen und angepaßt hat.
Während also die Form geblieben ist, hat ein Wechsel des
Stoffes stattgefunden. Dieser Stoffwechsel ist nicht nur für alle
bildlichen Formen das Charakteristische, er ist sogar das
eigentlich Schöpferische, ohne welches eine bildliche Form
überhaupt nie entstanden wäre. Und zwar ist, dies so zu
verstehen, daß der Urquell der künstlerischen Form in dem
thatsachlich erfolgten Wechsel, in der Vertauschung. des
einen Stoffes mit dem anderen zu suchen ist. Wollte man
nun hieraus schließen, daß es zur Herstellung einer künst-
lerischen Schöpfung genüge, tinterAnwendung dieses Grund-
satzes des Stoffwechsels ein bildliches Element anzubringen,
so wäre damit allerdings die sachliche Grundlage für die
Kunstschöpfung gegeben: ob sie selbst aber erreicht wäre,
hinge noch von einem zweiten Umstande ab, der mit dem
ersten sachlich noch nicht gegeben ist. Dieser liegt in der
Zweiten Eigenschaft, welche für das Vorhandensein des
künstlerischen Elementes notwendig ist.
Wenn infolge des Stoffwechsels eine bildliche Form
in einem ihr ursprünglich fremden Stoffe einen Träger
gefunden hat, so fragt es sich sofort, in welchem Verhält-
nisse die beiden Bestandteile des neuen Ganzen zueinander
stehen. Das Niichstliegende und Naturgemässe ist dies, daß
sie, als einander fremd, auch nur äußerlich verbunden er-
scheinen und die Empfindung des Fremdartigen, Nichtzu-
sammengehörigen erregen. Damit ist aber der künstlerische
Eindruck ausgeschlossen. Soll dieser dennoch erreicht
werden, so müssen die beiden Bestandteile zu einer Einheit
Zusammenwachsen, so daß diese den Eindruck des Natür-
lichen, des Selbstverständlichen hervorbringt. Um dies zu
erreichen, muß ein Entgegenkommen von beiden Seiten