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wird gerade in dem Bemühen, den Eigentümlichkeiten
beider nachzugehen, zu ergründen, wo sie sich decken,
wo jede ihren eigenen Weg, dem ihrer Natur entspringenden
Gesetze zufolge, einzuschlagen hat, bis zu welchem Grade
diese freie Bewegung gehen darf, ohne daß der Zweck
verfehlt wird, eine nicht zu unterschätzende Förderung
liegen, deren eigentümlicher Wert darin begründet ist, daß
sie auf dem umgekehrten Wege gewonnen ist, aufwelchem
sonst das Studium des Künstlers liegt: in der Nachahmung
der Kunst durch die Natur im Gegensatze zu der gewöhnlich
geübten Nachahmung der Natur durch die Kunst. Dies
vermag vielleicht ein kleines Gegengewicht gegen die Ein-
seitigkeit des gewöhnlichen Bildungsweges des modernen
Künstlers in die Wagschale zu legen: Einseitigkeit in der
Bildung des Künstlers ist es aber, was immer und überall
in erster Linie einem selbständigen, eigenartigen Auf-
schwung der Kunst im Wege steht.