LEBENDE BILDER. 73
Bekanntschaft mit dem Bilde verringert werden. An Dar-
stellungen dieser Art hatte man sich diesmal mit zwei
Werken gewagt, mit Kaulbachs nOtto III. in der Gruft
Kaiser Karls des Großena (Gernianisches Museum) und
mit Paolo Veroneses nFamilie des Darius vor Alexander
dem Großentt nach der Skizze in der Kasseler Galerie,
die auch auf Scipio gedeutet wird. Das erstere der beiden
Bilder gestaltete sich weniger günstig, weil die überwäl-
tigende Großartigkeit des toten Kaisers nicht genügend
zum Ausdrucke kam, und weil das kalte Licht, von dem
er umHossen ist, in allzu unvermitteltem Gegensatze zu
dem warmen Fackellichte stand. Dazu hatte man noch
natürliche, unruhig {lackernde Fackeln benutzt und dadurch
in die Beleuchtung eine Zufalligkeit der Wirkung gebracht,
die der Künstler wohl zu beherrschen verstand, da er
zwar flackernde Fackeln malen, aber doch ruhiges Licht
wirken lassen konnte, so daß sich der Schein der Natur-
wahrheit und die unter dem Gesetze des künstlerischen
Willens stehende ästhetische Wirkung berühren, aber nicht
widersprechen, wie es durch die Zurückübersetzung in
wirkliches Fackellicht unfehlbar eintreten muß. Weit
wirkungsvoller trat das andere Bild hervor, welchem die
Repräsentationstendenz, die gleichsam ins Weltliche über-
setzte heilige Konversation, sowie die venetianische Farben-
pracht, neben welcher die Handlung Nebensache bleibt,
außerordentlich zu statten kam.
Ist ein historisches Bild wirklich als solches groß ge-
dacht und ausgeführt, so wird es freilich mit seiner Dar-
stellung als lebenden Bildes wohl meist so gehen wie mit
der Aufführung großer historischer Dramen auf der Bühne :
die Leistungen werden hinter den Erwartungen zurück-
bleiben. Es ist, als ob die Menschen zu klein, zu alltäglich
dazu wären, weshalb die Hellenen mit ihrem Kothurn
sicherlich nicht Unrecht hatten, so wenig wir uns auch
heutzutage die mit ihm notwendig verbundene Feierlichkeit
und vielleicht auch Steifheit in der Bewegung gefallen
lassen würden unsere Ansprüche auf Naturwahrheit sind
zu sehr gewachsen: in demselben Maße werden wir aber
auch auf das überwältigend Großartige in der Darstellung