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KUNST,-
UND
SYMBQLIK
ALLEGORIE
eine ästhetische sei. Ohne Erfüllung dieser Bedingung ist
aber nicht nur ein Werk der allegorischen Kunst, sondern
ebenso ein solches der historischen und der symbolischen
Kunst verwerflich, nicht weil es dieser oderjener Darstellungs-
art angehört, sondern weil es dem für uns notwendigen
Erfordernis ästhetischen Gehaltes nicht entspricht. Eine
kurze Rundschau über die geschichtliche Entwickelung der
Kunst lehrt, schon bei Hervorhebung nur einzelner
charakteristischer Kunstschöpfungen, daß dieser Gesichts-
punkt thatsiicltlich stets in Geltung war, seitdem die Kunst
begonnen hat, statt einseitig einem praktischen auch einem
idealen Bedürfnisse zu dienen, wodurch indessen jene ältere
Stellung der Kunst keineswegs unbedingt aufgehoben ist:
die Befriedigung des praktischen Bedürfnisses dauert auch
jetzt noch ungeschmälert fort, kann aber für eine Beur-
teilung der Kunst nur noch historisch in Betracht gezogen
werden. Ist aber das Verhältnis der drei Darstellungsarten
theoretisch und historisch ein solches, wie es sich aus
unsrer Untersuchung ergeben hat, so ist auch kein Grund
vorhanden, warum den heutigen Künstlern eine weitere
Verwendung der drei Darstellungsarten je nach Bedürfnis
einzeln oder in Verbindung miteinander versagt werden
sollte, so lange sie ihre Kunstschöpfungen ästhetisch, also
als Kunstwerke gestalten. Eine Beschränkung auf die
historische Darstellungsart, welche dem sachlichen Charakter
unserer Zeit wohl am meisten zusagt, würde, selbst wenn sie
durchführbar wäre, unseren Künstlern nicht nur eine Fülle
des dankbarsten Stoffes wegnehmen, sondern sie auch un-
fehlbar auf die Bahn der Nüchternheit und Gedankenarmut
führen, die ohnehin schon oft genug betreten wird. Eine
solche Forderung könnte vielmehr nur aus einem Mißver-
ständnisse des thatsächlichen Verhältnisses der drei Dar-
stellungsarten zu einander und der besonderen Stellung
der symbolischen und der allegorischen Kunst innerhalb
des Gesamtgebietes der Kunst entspringen.