SYMBOLIK
KUNST,
UND
ALLEGORII
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Empfindungs- und Anschauungsweise nicht vorhanden ist,
wird gerade diese Gedankendichtung ohne parallel laufende
Gestaltungskraft ein willkommener Tummelplatz der alters-
schwachen Schöpfer-kraft eines nachgeborenen Geschlechtes.
Da kann es sogar geschehen, daß das schlechte Auskunfts-
mittel geradezu als eine neue und höhere Stufe der Kunst-
schöpfung, ja als die höchste gepriesen wird, und zwar
selbst von einem so feinsinnigen Manne, wie Winckelmann
es war, der mit seinem ahnungsvollen Blicke in die Herr-
lichkeit der alten Kunst die verzweifelnde Überzeugung
von der Unmöglichkeit einer selbständigen Erneuerung der
Kunst auf dem Gebiete der Formenschönheit verband, so
daß er, um der zeitgenössischen Kunst ein neues Gebiet
zu eröffnen, gerade auf dieses Gebiet der Gedankendichtung,
den fruchtbaren Boden der Allegorie hinwies. Können aber
solche Übertreibungen und Verzerrungen des wahren Sach-
verhalts zu einer einfachen Verwerfung der Allegorie
überhaupt berechtigen? Eine ruhige, sachliche Überlegung
wird anders urteilen.
Die Frage wird vielmehr nun so lauten müssen:
Widerspricht die allegorische Kunst dem Wesen der Kunst
überhaupt? Die Antwort kann nur sein: So lange sie den
Charakter der Bildlichkeit bewahrt und nicht zur Schrift
sich verflüchtigt, widerspricht sie dem Wesen der Kunst
nicht. Ferner: Liegt es in ihrem Wesen begründet, daß
sie nicht ästhetische Kunst werden kann, sondern den
rebusartigen Charakter behalten muß, bei welchem sich
die Teilnahme auf den Gegenstand beschränkt und für
die Art der Gestaltung nicht erweckt wird? Die Antwort
kann nur sein: In dem Wesen der allegorischen Darstellung
liegt dies nicht; es hängt vielmehr von der künstlerischen
Begabung des Darstellers ab, also von derselben Bedingung,
von welcher es abhängt, ob die historische und die sym-
bolische Kunst zur ästhetischen werden: erst wo die Art
der Gestaltung Teilnahme erweckt, ist ästhetische Kunst
da; die Art der Gestaltung hängt aber von der Auffassungs-
fähigkeit und der Gestaltungskraft des Darstellers ab. Hier
liegt daher der entscheidende Punkt. Nicht die allgemeine
Berechtigung der allegorischen Kunst, an welcher ein
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