40
KUNST,
UND
SYMßoLu-z
ALLEGORIE.
Schnittes Verwendung findet. So fügt sich das Blatt, die
Blume, das Tier, der Mensch in seiner Erscheinung geo-
metrischen Gesetzen und giebt eben dadurch einen Anspruch
auf Verständlichkeit, auf notwendige Zusammengehörigkeit
seiner Teile, auf die Vollkommenheit eines in sich abge-
schlossenen Ganzen zu erkennen. Ein derartiges Unterwerfen
unter ein in der Form klar erkennbares Gesetz nennt man
stilisieren, das Gesetz selbst den Stil, womit freilich die
Bedeutung dieses Begriffes nur soweit festgestellt ist, als er die
dem Objekte zukommende Eigenschaft bezeichnet. Das Be-
streben derKunst geht nun daraufaus, dieses zur Strenge in der
Erscheinung, ja selbst zur Starrheit gewordene Gesetz mit der
in der Natur vorhandenen Freiheit der Bewegung und der Ent-
wickelung zu vereinigen: die Form wird sich demgemäß
immer freier gestalten und die Einheit, statt in dem äußeren
Formgesetz, mehr und mehr in dem die Formen beherrschen-
den seelischen und geistigen Elemente sich konzentrieren,
so daß bei aller scheinbaren Freiheit der Gestaltung die Be-
h errschung allerTeile und ihre Zusammenschließung zu einem
Ganzen durch die Kraft des zum Ausdruck gelangenden
geistigen Lebens und Wollens unverkennbar ist. Erst wenn das
Streben nach Natürlichkeit der Gestaltung so überwuchert,
daß die Kunstschöpfung nur ein Spiegelbild des Zufälligen
in der Wirklichkeit sein will, hört die ästhetische Kunst-
schöpfung ihrem eigensten Wesen nach auf, und die
greisgewordene Kunst fallt in das Stammeln der Kindheit
zurück, welches freilich durch das Raffinement der Technik
um das gebracht ist, wodurch es unter Umständen reizend
erscheinen kann: die Naivetät.
Die Kunst wirkt durch ihre sinnliche Erscheinung auf
die Sinne, und erst durch diese weiter auf unsere seelische
Empfindung. Wenn aber die Sinne nicht versagen sollen,
so müssen sie in einer ihrer Natur entsprechenden und
daher ihnen willkommenen, also angenehmen Weise an-
geregt werden. Nun sind aber die Sinne und die ihre
Thiitigkeit bestimmenden Nerven nicht zu allen Zeiten
und auf allen Stufen der menschlichen Entwickelung von
gleicher Leistungsfähigkeit: sie sind einer Ausbildung fähig
und erfahren sie auch thatsächlich. je geringer diese ist,