Volltext: Über Kunst, Künstler und Kunstwerke

KUNST, SYMBOLIK UND ALLEGORIE. 29 
 
Beschauers abhängt, kann ihm im engeren Sinne die Be- 
zeichnung Kunst zugestanden werden. Der Stein, welcher 
infolge einer Umgestaltung eine menschliche Form zeigt, 
wird von dem Vogel, der sich darauf setzt, nur als das 
angesehen, was er seinem Stoffe nach ist: die Bedeutung 
zu erkennen ist das Tier nicht fähig. Der Mensch aber, 
der diese Bedeutung erkennt und den in Menschengestalt 
gebrachten Stein als Baustein benutzt, will die Bedeutung 
nicht anerkennen. Das Vorhandensein einer solchen Be- 
deutung infolge der Umgestaltung eines Stoffes, welchem 
jene Bedeutung an und für sich nicht zukommt, nennen 
wir Bildlichkeit. Da nun die Kunst im engeren Sinne von 
dem Vorhandensein einer solchen Bedeutung abhängig ist, 
so ergiebt sich die Bildlichkeit als das wesentliche Merkmal 
jeder Kunstschöpfting. Nun tritt aber durch diese Bedeutung, 
welche, wenn sie unseren Sinnen bemerkbar werden soll, 
eine Umgestaltung des Stoffes zur Folge hat, zu diesem selbst 
ein Zweites hinzu: wir haben es ausser mit dem Stoffe 
noch mit der aus seiner Umgestaltung sich ergebenden 
Form zu thun, welche die Trägerin der dem Stoffe selbst 
fremden Bedeutung ist. Es entsteht somit ein Verhältnis 
zwischen der durch die Umgestaltung sich ergebenden Form 
und der durch diese Form angedeuteten Bedeutung. Eine 
kurze Betrachtung wird zeigen, daß dieses Verhältnis nicht 
immer dasselbe ist: in seiner Verschiedenartigkeit liegt 
der Schlüssel für die Lösung der aufgeworfenen Frage.  
Nennen wir die durch Umgestaltung eines Stoffes 
hervorgebrachte, den Hinweis auf eine Bedeutung bezwek- 
kende Form das Bild, den Gegenstand aber, auf welchen die 
Form als auf ihre Bedeutung hinweist, das Vorbild, so ist, 
wenn wir in dieser Untersuchung auf dem Gebiete des 
körperlichen, dem Auge sichtbaren Stoffes bleiben, das Bild 
dem Vorbild entweder körperlich ähnlich, oder es deutet 
eine körperliche Ähnlichkeit nur an, oder es verzichtet auf 
körperliche Ähnlichkeit. Im ersten Falle ist das Bild ein 
Ebenbild, im zweiten ein Nachbild, im dritten ein Neubild 
lm ersten Falle wird die sinnlich wahrnehmbare individuelle 
Existenz des Vorbildes vorausgesetzt; im zweiten Falle 
wird die Existenz des Vorbildes zwar auch vorausgesetzt,
	        
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