24 TRACHT UND MODE.
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tümlichkeit des Geschmackes ab, durch welche dieser recht
eigentlich seine Herrschaft in der Mode beweist.
Es ist eine bekannte Erfahrung, daß unsre Sinne durch
andauernde Thiitigkeit ermüdet werden, und daß wir
alsdann zu dem Hilfsmittel der Ablösung greifen. Sind
die Augen lange Zeit vom Lichte getroffen worden, so ist
es uns eine Erholung, sie zu schließen oder in der Dämmerung
zu verweilen. Diese Ermüdung durch Anspannung und
dies Bedürfnis nach Abspannung geht sogar so weit, daß
wir diese Abspannung selbst dann suchen, wenn die An-
spannung eine an und für sich angenehme ist, und daß
wir die Abspannung selbst dann finden, wenn das sie
bewirkende Mittel an und für sich durchaus nichts An-
genehmes hat. Es mag jemand recht gerne Süßigkeiten
essen: aber wie bald greift er doch wieder nach einem
Stücke kräftigen Brodes! Mozart oder Beethoven hören ist
gewiß schön; aber wer sie tagelang immer und immer wieder
hat spielen oder gar üben hören, fangt an für den Wohl-
klang des Sausens eines Sturmwindes empfänglich zu
werden. Und so kann auch unser Auge, wenigstens in
der Kleidung, nicht lange dieselbe Erscheinung sehen, ohne
sich ermüdet zu fühlen und sich nach einer andern zu
sehnen, und wenn sie auch an und für sich weit weniger
ansprechend wäre. Sie stößt itielleicht sogar im Anfang
ab; allmählich gewöhnt man sich an sie, das Abstoßende
ist überwunden: die neue Mode ist das Natürliche geworden.
Ganz allmählich wird sie aber langwieilig, und da ist es
Zeit, daß etwas Neues kommt. Und so ist der Ruf nach
Neuem das recht eigentlich charakteristische Merkmal der
Mode, und dieses Bestreben übertaubt jede bessere Stimme
des haltrufenden Geschmackes. Denn da das Geschmack-
volle nicht nur einfach, sondern auch nicht allzuhiitilig ist,
so macht das Streben nach Neuem die Geschmacklosiglteit
geradezu notwendig. Ohne dieses allzeit bereite Hilfsmittel
wäre es mit der Mode schlecht bestellt: wie arm wäre sie,
wenn sie nur geschmackvoll sein dürfte! ja, es scheint
fast, daß die Mode kapriziös genug ist, selbst wenn sie in
der Hauptsache geschmackvoll ist, doch an irgend einem
Teile die Herrschaft der Geschmacklosigkeit aufrecht zu