3 I8 ANHANG.
sich nicht mehr berühren, ganz abgesehen davon, daß der
der Nike sich vorbeugt, der der melischen Statue sich auf-
richtet. Schon der Umstand, daß die Nike wirklich abwärts
auf den Schild sieht, die melische Statue aber über ihn hin-
aus in die Ferne sähe, hätte den Gedanken an Beschreiben
des Schildes zurückweisen müssen.
Stillmann versucht es jedoch, einen Beweis für die Mög-
lichkeit seines Vorschlags dadurch zu geben, daß er ein
lebendes Modell stellt und kleidet wie die melische Statue,
ihr den Schild giebt, dann eine Photographie nimmt und
diese in zwei Ansichten abbildet. Dieser Beweis durch den
Augenschein mißlingt vollständig, weil weder die Stellung
noch die Gewandung des Modells mit der Statue überein-
stimmt. Die Statue beugt sich weiter nach ihrer rechten
Seite hin und dreht sich weiter nach rechts vornen; sie hält
den Kopf weiter nach rechts und zeigt ein andres Verhältnis
zwischen Hals und Kopf. Die Erhebung der linken Schulter
ist höher, der linke Brustmuskel ist straff gespannt und zieht
die linke Brust nach, während bei der Stillmann'schen Figur
der linke Arm sich senkt, sich an den Körper anlehnt, wo-
durch die in der melischen Statue ganz zweifellos vorhandene
und thatsächlich allseitig anerkannte I-Iebung__des linken Ober-
armes fortfällt und damit jegliche Spur der Übereinstimmung
des Modells mit dem Vorbilde. Das Gewand liegt auf der
rechten Hüfte der melischen Statue tiefer; Stillmann muß es
höher legen, weil es sonst fiele ein vortrefllicher Beweis
für die Auffassung, daß das Gewand der Statue, das sich
schon zum Fallen anschickt, von der zugreifenden Hand ge-
faßt werden muß, wenn es nicht im nächsten Augenblicke
über die Hüfte, auf deren weitester Ausladung es liegt, herab-
sinken soll. Die Körperlinie geht unterhalb des Gewand-
randes einwärts, so daß von einem Halten durch den Körper
selbst keine Rede sein kann. Am schlimmsten aber ist der
Umstand, daß das Gewand von den Knieen abwärts bei
Stillmann die von dem rechten nach dem linken Unterschenkel
aufwärts verlaufenden tiefen Falten und die sich an den beiden
Unterschenkeln in schärfster Zeichnung ihrer Formen an-
schließende Spannung des Gewandes einfach beseitigt. Ist
es schon schlimm, wenn von den Erklärern dieses unbequeme,
aber markanteste Merkmal der melischen Statue übersehen
wird, weil es eben zu keiner der anderen Erklärungen paßt,
während es die melisehe Statue als eine ganz einzige und
eigenartige Schöpfung allen zur Vergleichung herbeigezogenen
Figuren gegenüber-stellt, so gehört in der That viel Ver-
wegenheit dazu, die zwei Gestalten so nebeneinander zu
stellen, wie Stillrnann es thut, und dabei dem Augenscheine
so ins Gesicht zu schlagen. Wenn so die Thatsachen ge-