PAUL WALLo-rs REICHSTAGSGEBÄUDE. 305
ist, den Sitzungssaal. Da dieser nicht in der Kreuzung von
Lang- und Queraxe liegt, sondern hinter die Langaxe ge-
schoben ist, S0 tritt die Kuppel gleichfalls nach Osten hin
zurück. Es ist das für den Hauptanblick vom Königsplatze
her nicht günstig: dieser Sammelpunkt des Auges, wenn
es über den Bau hingleitet, gehört in den Vordergrund.
Wenn jetzt bei dem wirklichen Aufbau die Kuppel über
die nach dem Königsplatze zu gelegene Festhalle gerückt
wird, so verliert sie ihre symbolische Bedeutung nicht: sie
schließt den Saal ab, wo die Hoheit der Versammlung bei
festlichem Akte sich dokumentiert. Für den äußeren An-
blick aber bedeutet die Verlegung entschieden eine Ver-
besserung des tirsprünglichen Entwurfes.
Ist so das allgemeinbeteiligte Interesse angedeutet, zu-
gleich die formale Beherrschung des Gesamtbaues durch
die Kuppel ausgesprochen, so bedarf es weiterhin des
Ausdrucks dafür, daß die langgestreckten Bauten auch
wirklich eine einheitliche Masse bilden. Um sie als solche
zusammenzuhalten, erscheinen an den Ecken kleinere Türme;
sie sind das Zeichen, daß hier die gewollte Grenze, der
überlegte Abschluß ist. S0 wie die Linien in der Mitte
zur Kuppel zusammenströmen, so steigt die überschüssige
Kraft der Linien bei ihrem Verfolge nach den Enden zu
gleichfalls zu Türmen auf, welche gerade dadurch den Ab-
schluß bezeichnen. Man hat gezweifelt, 0b die Form dieser
Türme eine glückliche sei. Richtig ist vor allem, daß sich
bei ihnen der Kuppelabschluß nicht wiederholt: es wiäre
dadurch eine Selbständigkeit dieser Bauglieder, erreicht
worden, welche für die Einheitlichkeit des Baues nicht
günstig wäre.
Das Aufsteigen der Kuppel und der Türme kann
jedoch nur dann berechtigt erscheinen, wenn es durch die
Gestaltung des Unterbaues schon vorbereitet ist. So müssen
diese Teile des Unterbaues größere Massigkeit erhalten.
Es trifft dies zusammen mit dem ästhetischen Bestreben
die langgestreckte Fluchtlinie des Baues zu gliedern. Die
Erfüllung dieser beiden Forderungen wird erreicht, indem
ein Mittelrisalit vorspringt, welches zugleich den Haupt-
eingang und die Festhalle heraushebt, und indem die Ecken
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