Volltext: Über Kunst, Künstler und Kunstwerke

WALLOTS 
PAUL 
REICHSTAGSGEBÄUDE. 
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Bei einem Reichstagsgebäude liegen die Verhältnisse 
anders. Handelte es sich wie bei einem Kultusgebäude 
wesentlich um den Hauptversammlungsraum, neben wel- 
chem die Hilfsräume als durchaus nebensächlich zurück- 
treten und ohne maßgebenden Einfluß auf die Gesamtheit 
sich in bescheidener Unterordnung angliederten, so läge 
die Aufgabe einfach und es ließe sich ein den Zweck un- 
mittelbar verkündendes Gepräge wenigstens in so weit 
aufdrücken, daß sich sofort ein wichtiger Versammlungs- 
ort als Gegenstand ausspräche. Allein so ist es nicht. 
Eine große Anzahl von Nebenräumen tritt zu dem Haupt- 
versammlungsraume hinzu, und zwar durchaus nicht in 
nebensächlicher Weise, sondern so, daß sie auf große Be- 
deutung Anspruch erheben, und zwar sowohl ihrer inneren 
Bedeutung nach als inbezug auf ihre Ausdehnung. Diese 
Räume müssen also in die Einheit hereingezogen werden, 
und wenn sich auch immerhin aussprechen wird und muß, 
daß sie schließlich ihre Veranlassung und Daseinsberechti- 
gung an dieser Stelle dem Zwecke des Hauptversammlungs- 
raumes zu verdanken haben, so verzichten sie durchaus 
nicht auf verhältnismäßig selbständige Entwickelung. Es 
wird also die Aufgabe die sein, den Hauptraum so mit den 
zugehörigen Nebenräumen zu versehen, daß diese sich als 
ein Herauswachsen aus dem Hauptzwecke darstellen, sich 
diesem aber dennoch immer unterordnen, so daß in ihm das 
das Ganze beherrschende Motiv erhalten bleibt. Wie eine 
solche Erweiterung des Hatiptzweckes ohne eine solche 
von Anfang an bedachte und in die Entstehung des Planes 
mithereingezogene Unterordnung tmgünstig wirken kann, 
zeigt die jetzige Form der Peterskirche in Rom, im Ver- 
gleich mit dem ursprünglichen Entwurfe Michelangelos: 
seine Kuppel verliert durch die Verlängerung des Lang- 
schiifes entschieden an bedeutsamer Wirkung, wie sie ihr 
bei der ursprünglichen Form Michelangelos zu teil ge- 
worden wäre. Soll Ähnliches beim Reichstagsgebäude 
nicht eintreten, so muß das Herauswachsen der zugehörigen 
Räume von Anfang an beim Aufbau eben so als mitgestalten- 
des Moment mitwirken, wie es beim Grundriß geschehen 
ist und so stattfinden, daß die Einheit des Gesamtbaties
	        
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