TRACHT UND MODE.
wohlthuender als die durch das harte Brod veranlaßte:
so bewirken denn der Geruch und das Getaste, daß, wie
wir nun zusammenfassend sagen, das frische Brod besser
nschmeckta als das trockne. Aber auch durch den Gesichts-
sinn wird der Eindruck des Schmeckens unterstützt: eine
auf sauberem Tischtuch aufgetragene Speise schmeckt besser
als' eine auf schmutzigem stehende, trotzdem daß sie selbst
von der Unsauberkeit des Tuches unberührt bleibt. ja selbst
das Gehör kann zur Lustempiindung beitragen; wir brauchen
nur an knuspernde Speisen zu denken. Sehen wir nun,
daß auf diese Weise jedes eigentliche Geschmacksurteil
zugleich auch ein Urteil über einige, manchmal über alle
anderen Sinne zugleich ist, während alle anderen Sinne
ihre Eindrücke und also auch die daraus entspringenden
Urteile vereinzelt haben können, so ist es erklärlich, wie
die Sprache das Geschmacksurteil auch für ein aus den
Eindrücken mehrerer Sinne entstehendes Urteil anwenden
kann, ja wie sie in bildlichem Sinne auch dann noch von
einem Geschniacksurteil zu reden vermag, wenn nur von
anderen Sinnen die Rede ist und ein eigentliches Schmecken
gar nicht in Betracht kommt, wie also auch bei Gesichts-
und Gehöreindrücken von einem Geschmacke und einem
Geschmacksurteil die Rede sein kann.
Diese Freiheit des Sprachgebrauches müssen nun gerade
wir in Anwendung bringen: wir haben es bei unsrer Be-
trachtung der Mode nur mit den Eindrücken des Gesichts-
sinnes zu thun, und dennoch dürfen wir auch hier von
einem Geschmacke sprechen. ja, dieser Ausdruck hilft
uns geradezu im Verständnis der Sache. Kein Urteil
nämlich läßt sich fällen, ohne daß wir einen bestimmten
Maßstab anwenden. Dieser Maßstab kann hier nicht aus
Begriffen hergenommen werden, da das Geschmacksurteil
aus einer Empfindung entspringt. Er kann daher nur in
den Sinnen selbst liegen, durch welche wir die Empßndting
gewinnen. Es ist nun eine Thatsache, daß die Sinne nur
eine ziemlich enge umgrenzte Reihe von Eindrücken zu
einer einheitlichen Empfindung bringen können. Will uns
z. B. ein Dichter außer durch den Inhalt auch durch eine
poetische Form ergetzen, so wirkt er auf uns durch eine