284 CORNELIUS um) DAS WELTGERICHT.
und empfinden ihn immer wieder aufs neue. War einmal
die ästhetische Darstellungsweise gewählt und eine andere
unserer Kultur zumuten zu wollen, wäre ein Unding gewesen,
zudem wollte Cornelius als Künstler schaffen so mußte
nicht nur der Grundcharakter gewahrt bleiben: der Künstler
mußte vor allen Dingen nicht innerhalb der als wirklich
vorausgesetzten, seiner Wahl freistehenden Erscheinungs-
welt die selbstgemachten Voraussetzungen umstoßen und
so, innerhalb des selbstgewählten Gebietes, nicht sowohl
die Wahrheit als vielmehr die Wahrscheinlichkeit, das Lebens-
element des ästhetischen Kunstwerkes, selbst vernichten.
Das Wort: nIm ersten sind wir frei, im zweiten sind wir
Knechteu gilt recht eigentlich für den Künstler: wir gestatten
ihm die Wahl seines Gebietes und folgen ihm, allem
Naturalismus zum Trotze, gerne in erdichtete Gebiete; hat
er aber ein solches gewählt, so hat er sich damit seine
Grenzen gesteckt und. ist an die aus ihnen sich ergebenden
Gesetze der Wahrscheinlichkeit gebunden.
Cornelius gehört zu den fortschreitenden Künstlern. Den
Mißgriff, den er in der Ludwigskirche gethan hat und der
diese Werke um ihre unmittelbare künstlerische Wirkung
bringt, während die Vertiefung in sie des Großen genug
finden laßt, hat er in seinem letzten großen Werke, den
Camposantofresken, nicht wiederholt. Auch hier hatte er
das Weltgericht mit in den Kreis seiner Darstellungen zu
ziehen. Er mochte gelernt haben, daß er eine historische
Auffassung des Vorganges, wenn er auch nur symbolische
Bedeutung haben sollte, seiner Zeit nicht zumuten durfte.
Er hält sich daher streng an die symbolische Darstellung:
Christus als himmlischer Bräutigam erscheint den klugen
und den thörichten jungfrauen. Hier wird dem Gedanken
nicht nur die Härte genommen, es bleibt auch der Phan-
tasie des Beschauers überlassen, nach dem Maße seiner
Geistes- und Herzensbildung sich mit dem Glaubenssatze
auseinanderzusetzen, ohne daß er durch den Künstler nach
einer bestimmten Gestaltung der Erscheinungswelt hinge-
zwungen würde. Obgleich viel schlichter in der Erschei-
nung und einfacher in der Auffassung, ist diese Schöpfung
doch weit bedeutender: sie zeigt den Weg, auf welchem