Conmauus um) ms XNELTGERICHT. 283
über die Bösen zu Gerichte sitzt und sie der ihnen ge-
bührenden Stelle zuweist, wobei Cornelius in seltsamer
Weise den Danteschen Minos und dessen Satan in eine
Person verschmolzen hat. Nach alter Überlieferung hätte
der Satan seinen Platz zur Seite auf einer Fortsetzung des
Bildes mit selbständiger Lokalität haben müssen: Cornelius
hat diesen Platz nicht zur Verfügung und setzt den gericht-
haltenden Satan mitten zwischen die Auferstehenden und
die zum Himmel Aufstürmenden hinein; er läßt sich auch
dadurch nicht irre machen, daß der Satan nun in denselben
Rahmen, dieselbe Lokalität kommt, über welcher wir
Christus walten sehen. Die reale Wahrheit des Vorganges
zugegeben und die drastischen Szenen gerade dieser
Seite führen mit Notwendigkeit zur Aufstellung dieser
dichterischen Forderung so ist dies ein schneidender
Eingriff in jede Möglichkeit und Denkbarkeit des Zusammen-
hanges. Der Satan gehört nicht über, sondern unter die
Erde; er gehört nicht in den Bereich des Waltens des Er-
lösers, er rnuß von ihm getrennt im Reiche der Finsternis
sein Wesen treiben. Es wird aber auch der Zusammen-
hang des Geschehens selbst gestört. Wo kommen die
oberhalb des Satans kämpfenden, zum Himmel aufstürmenden
Auferstandenen her? Die Auferstehung geschieht auf der
Erde; hier aber werden sie von oben herab zum Gerichte
des auf der Erde thronenden Satans geschleppt. Oder hatte
man nicht das Recht so zu fragen? Aber wir stehen vor
einem Kunstwerke, das in der entschiedensten Weise den
Anspruch darauf macht, ein ästhetisches Werk zu sein,
das nicht bloß in kindlichen Zügen uns einen Vorgang
andeuten, sondern diesen vor unseren Augen so erscheinen
lassen will, daß die Form der Erscheinung als solche, wenn
nicht ausschließlich, so doch ganz wesentlich aufuns wirkt,
welches sich daher nicht bloß an die gläubige Seite, sondern
auch, und ganz besonders, an den formensuchenden Sinn
des Auges, an die gestaltungsfrohe Phantasie, an das er-
regunsbedürftige Herz richtet und deren Sprache spricht.
Diesen Widerspruch hat Cornelius, in dem Bestreben, alles
zu geben, was nach seiner Überzeugung zur Sache gehörte,
nicht empfunden: die Beschauer aber haben ihn empfunden