UND
TRACHT
MODE.
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anderen Sinne xteranlaßt wird. Und das zweite Merk-
würdige ist, daß der Ausdruck Geschmack ganz vorzugs-
weise im ästhetischen Sinn angewendet wird, während
doch der Sinn des SChmeckens keineswegs zu den eigentlich
ästhetischen Sinnen gehört, welche vielmehr das Sehen
und das Hören sind. So auffallend dies erscheint, so
dürfen wir doch im voraus aus dem feinen Takte,
mit welchem die Sprache durchweg ihre bildlichen Be-
Zeichnungen wählt, annehmen, daß es hierfür einen guten
Grund geben müsse. Und dies ist in der That der Fall.
Zunächst sind die Empfindungen des Schmeckens, also die
eigentlichen Geschmacksempfindungen, lebhafter und in-
niger mit Lust- oder Unlustempfindungen verbunden als
die Eindrücke irgend eines der anderen Sinne: daß aber
das Kräftigere geeignet ist, Symbol für das Schwächere
zu werden und dies unter sich zu begreifen, ist klar. Allein
während wir bei allen andern Sinnen reine Eindrücke ge-
winnen können, d. h. solche, die nur durch einen einzigen
Sinn gewonnen werden, also z. B. nur durch das Ohr oder
nur durch das Auge, so ist dies bei dem Schmecken fast
ganz unmöglich. Kommt ein Gegenstand auf das Organ
des Schmeckens, die Zunge, so haben wir außer der Ge-
schmacksempfitidttng auch noch die Tast- und die Temperatur-
empfindttng: wir schmecken, ob derGegenstand sauer oder süß
ist; wir fühlen, ob er rauh oder weich, ob er warm oder kalt
ist, und diese Empündung trägt wesentlich zur Erhöhung oder
Verminderung der durch das Schmecken erregten Lust- oder
Unlustempfindttng bei. Da nun aber der Mund durch die über
dem Gaumen befindliche weite, hintere Oeifnung der
Nase mit dem in der Riechgegend der Nasenhöhle
mündenden Riechnerven in Verbindung steht, so em-
pfinden wir gleichzeitig das Aroma des auf der Zunge
befindlichen Gegenstandes, und auch der Sinn des Geruches
trägt zu der scheinbar durch das Schmecken veranlaßten
Empfindung bei. S0 haben frisches Brod und trockenes
Brod an und für sich durchaus denselben Geschmack. Aber
der eigentümliche aromatische Geruch ist bei den: frischen
Brode weit stärker als beim trockenen, und die Tast-
empfindtmg beim Kauen des vveicheti frischen Brodes ist viel