Volltext: Über Kunst, Künstler und Kunstwerke

280 CORNELIUS um: DAS WELTGERICHT. 
und die Teufel kämpfen, wie der gewaltige Erzengel Mi- 
chael die beiden Seiten scheidet: vor seinem Schildebeben 
auch die Verdammten unwiderruflich zurück. Während 
links von Engeln die Seligen aufwärts geleitet werden  
unter ihnen sieht man Dante und Fiesole, ganz an der 
Seite links steht König Ludwig  werden rechts vor den 
Satan die Verbrecher geschleppt, in welchen die sieben 
Todsünden charakterisiert sind. Einzelne haben sich nach 
obenzu gedrängt und werden von Engeln zurückgestoßen. 
In der Mitte hält ein Engel das Buch des Lebens, um ihn 
erschallen die Posaunen der Auferstehung. Darüber thront 
Christus, heraufwinkend und hinabweisend; anbetend und 
in heiliger Ruhe knien und sitzen um ihn Maria, Johannes 
der Täufer, Apostel und Propheten. Über ihm schweben 
feierlich und friedlich die Engel, welche die Marterwerk- 
zeuge tragen. So baut sich das Ganze vom Auftauchen 
des Lebens durch wildeste und lebhafteste Bewegung auf 
bis zu ewigem Frieden und seliger Ruhe. 
In den zweihundert Jahren nun, welche seit der letzten 
wirklich großen Darstellung des Weltgerichtes verflossen 
sind, hat sich vor allen] die kosmische Anschauung geändert. 
Unser Planet ist aus seiner stolzen Stellung im Mittel- 
punkte des Weltalls, dessen ganzes Geschehen sich nur 
auf die Erde bezog und nur Bedeutung und Wert hatte, 
insofern es zu diesem in Beziehung stand, bescheiden zur 
Seite getreten, und in der gebildeten Christenheit hat der 
Gedanke an die erlösende Liebe die Vorstellung von der 
erbarmungslos verurteilenden Gerechtigkeit mehr und mehr 
verdrängt. Gerade hier wäre, wenn der Gegenstand dennoch 
in alter Weise bildlich dargestellt werden sollte, die rein 
symbolische, nur andeutende Darstellungsweise am Platze 
gewesen: gerade hier hat aber Cornelius offenbar in deut- 
licher Absicht eine möglichst realistische Darstellung zu 
geben gesucht. Er kommt dadurch unserer heutigen Auf- 
fassungsweise der Kunst, der ästhetischen, entgegen, welche 
die Kunst nicht mehr als Schrift auffaßt, sondern in ihr 
die Verbildlichung eines realistisch denkbaren Korrelates der 
Erscheinungswelt sieht, sodaß, die Voraussetzung der Existenz 
derselben einmal zugegeben, die Mittel der Darstellung
	        
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