CORNELIUS UND DAS WELTGERICHT. 279
Umstand wurde die Schranke seiner Wirksamkeit. Dieser
heilige Stoff verlangte den Glauben an die entsprechende
reale Wahrheit, und reale Wahrheit, der Darstellung ent-
sprechend, war durch die Art der Darstellung von vorne-
herein ausgeschlossen. In seiner symbolisch andeutenden
Weise schuf Cornelius Werke, welche in großen Zügen
den Zusammenhang des nchristlichen Epostt darlegen sollten,
und ebendamit trat er in Widerspruch zu der eigentlichen
Aufgabe seiner Bilder, die reale Wahrheit des Geschehens
zu schildern. An der nördlichen Wand des Querschiffes
läßt er zu dem Kinde, welches von der Mutter gehalten
wird und über welchem Gott Vater und der heilige Geist
als Taube schweben, außer den Hirten auch die Könige
kommen. Freilich wird dadurch der Gedanke, daß alle
Stände und alle Völker dem Erlöser huldigen und der Er-
lösung teilhaftig werden sollen, sehr schön zum Ausdrucke
gebracht, der Gedanke, welchen schon der Psalmist ausspricht:
vEs werden ihn anbeten alle Könige der Erde, alle Völker
ihm dienenu (71, 11): aber die Darstellung entspricht
in ihrer Gesamtheit keinem geschichtlich denkbaren Er-
eignisse, wie es hier notwendig war; erst der geschicht-
lich erschienene Erlöser, die ganz bestimmte, beglaubigte
Thatsache hat die glaubenerweckende Kraft und kann mit
vernehmlicher Stimme ihre Predigt anheben. An der Wand
des südlichen QuerschiiTes harren Engel und Teufel darauf,
die Seelen des guten und des bösen Schächers in Empfang
zu nehmen eine Auffassung, die in der Tradition sehr
wohl begründet ist, aber einer Zeit entstammt, in welcher
die kindliche Kunst noch kein anderes Mittel zur Charakte-
ristik anzuwenden imstande war, um den reuelosen von
dem reuebereiten Sünder zu unterscheiden. Auf einer
Stufe der Kunstentwickelung, wie sie Cornelius repräsentiert,
ist das möglich: ein solches Hilfsmittel ist daher überiiüssig
und stößt eher zurück, als daß es zum Glauben hinzieht.
An der Altarwand aber offenbart sich das gewaltige nlüngßtc
Gerichtat um als erschütterndes Finale in dieser Symphonie
das Herz zu zerknirschen und zu erheben (Abb. S. 281).
Auf ihm ruht der Blick des Gläubigen, wenn er zum Altare
schaut. Da sieht er wie um die Auferstandenen die Engel