278 CORNELIUS UND DAS WELTGERICHT.
gestalten, daß sie nach Aufgebung der religiösen Tendenz
doch noch mächtig ergreifen kann. Wo aber außer der
religiösen Größe auch die menschliche Größe fehlte, da
blieb nur das Bestreben, nach Effekt zu haschen und diesen durch
überraschende, pikante oder möglichst gewagte Darstellungen
zu erreichen, welche im besten Falle ein Staunen vor dem
virtuosen Können des Künstlers zu erwecken vermögen.
Da war es in der That kein geringes Verdienst, als der
hohe Ernst und die Reinheit der Kunst wieder mit aller
Entschiedenheit hervorgekehrt wurden, als man wieder
darauf hinwies, daß die Kunst keine Dienerin der Laune
und Willkür, keine feile Dirne zur Hervorbringting wollü-
stigen Reizes sei, daß sie vielmehr das Amt der Verkünderin
und Dolmetscherin der ernstesten und heiligsten Empfin-
dungen für sich in Anspruch nehme, daß alles, was das
Menschenherz aufrege und es zu der höchsten Energie des
Fühlens und Handelns über das Alltägliche hinaustreibe,
das eigentliche Gebiet ihrer Wirksamkeit sei, daß sie nicht
schmeichelnd den Begehrungen der Menschen nachzugehen,
sondern diese, gleich einer mit göttlicher Kraft und Er-
habenheit ausgestatteten Prophetin und Erzieherin zu läutern
und auf den rechten Weg zu weisen habe. Dies mit vollem
Bewußtsein gefordert und die Kunst auf diese Bahn gelenkt
zu haben, ist das unvergängliche Verdienst von Cornelius.
In dieser Beziehung wird er immer am Beginne unserer
neudeutschen Malerei wie der getreue Eckhard stehen, und
seine Werke werden ihre warnende Stimme immer von
neuem erheben, wenn die junge Generation in allzuseligem
Vertrauen auf ihr wahrheitsgetreues SchaHen in diesem
bereits das Ziel, statt eines der Mittel der Malerei sehen
will. In der entschiedensten Weise haben nach dieser Rich-
tung Cornelius' erste große Schöpfungen gewirkt, sein
Faust, seine Nibelungen, und in höherem Grade hätte es
sein Romeo gethan, wenn dieses Werk in der Vollendung
zur Durchführung gekommen wäre, wie die Anfänge sie
erkennen lassen. S0 hatten seine Glyptothekfresken ge-
wirkt, und so, hoffte er, sollten auch seine Fresken der
Ludwigskirche wirken, zumal da er hier den höchsten, den
heiligsten Stoff behandeln durfte. Aber gerade dieser