CORNELIUS um) ms WELTG ERICHT. 275
Auferstehende am Rosenkranz hinaufgezogen wird eine
ebenso ausdrucksvolle wie klar verständliche Hindeutung
auf die entscheidende Lehre von der Rechtfertigung durch
den Glauben: es ist Thatsache, daß ndie Lehre von der
Rechtfertigung durch den Glauben viele der besten und
angesehensten Männer Italiens tief bewegte und begeisterte
Zustimmung fanda (a. a. O. H, S. 303). Andererseits aber
wenden sich die Verworfenen in stürmender Verzweiflung
aufwärts; ihnen kommen die Märtyrer entgegen und zeigen
die Marterwerkzeuge, durch welche den Sündern gleichfalls
ein Anrecht auf den Himmel erworben worden ist: nur
hier haben die Märtyrer zu helfen, weshalb sie Michelangelo,
nObSChOn er sonst auf die Symmetrie großes Gewicht legta
(a. a. O. S. 27 5), nur auf dieser Seite verwendet. Um so ener-
gischer lebt in den Verdammten das Bewußtsein, daß der
Versöhnungstod auch für sie stattgefunden habe, daß er
in erster Linie gerade den Sündern gelte, daß es ein Wider-
spruch mit dem Wesen des Versöhnungtodes sei, wenn
dessen Wohlthat nicht gerade ihnen zu gute kommen solle.
Nur so läßt sich der hier zum ersten Male so mächtig auf-
tretende und durch den Zusammenhang nur dieses einzige
Mal begründete Ansturm der Sünder begreifen: ohne einen
solchen Zusammenhang, ohne ein solches innere Motiv
würde Michelangelo sich nicht zu solcher Darstellung ent-
schlossen haben, so günstig es auch seiner Neigung und
Begabung entgegenkommt. Das eben ist des großen
Meisters Merkmal, daß er das, was er seiner Natur nach
am besten und am liebsten schafft, so darstellt, daß es
einer inneren Notwendigkeit zu entspringen scheint.
Dasselbe gilt für die Aufregung der Heiligen und der Engel
im Himmel: das der persönlichen religiösen Überzeugung
entquellende Motiv stimmt vortrefflich zu der auf demselben
Boden erwachsenden Neigung und Befähigung des Meisters
zu einer npathetisch-dramatischentc Darstellung.
So tritt uns in Michelangelos Weltgericht mit über-
wältigender Größe jene persönliche Willkür entgegen, welche
das Renaissancezeitalter befähigte, der Anfang einer neuen
Zeit zu werden, was ohne Bruch mit der Überlieferung nicht
möglich war. Zugleich aber zeigt es uns in d?" Kunst-
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